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Stadt in Ungarn will Roma-Familien vertreiben

■ Nach landesweiten Protesten muß das Parlament jetzt über eine Resolution abstimmen, in der die Entscheidung des Stadtrates und die Diskriminierung der Roma verurteilt wird

Berlin (taz) – In der ostungarischen Kleinstadt Sátoraljaújhely sind mehrere Roma-Familien behördlich zu unerwünschten Personen erklärt worden und sollen vertrieben werden. Eine entsprechende Entscheidung vom 20. Juni dieses Jahres bekräftigte der Stadtrat von Sátoraljaújhely am vergangenen Freitag, obwohl kürzlich ungarische Regierungs- und Parlamentsmitglieder sowie Menschenrechtsorganisationen dagegen protestiert hatten.

Die vier Familien mit insgesamt 60 Angehörigen sollen aus Sátoraljaújhely vertrieben werden, weil sie nach Ansicht des Bürgermeisters der Stadt, Károly Laczkó, und des Stadtrates eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen. Unter ihnen seien vier Straftäter. Die Familien könnten sich nicht in das Leben der Stadt integrieren und verursachten außerdem hygienische Probleme. Tatsächlich laufen gegen vier Angehörige der Familien polizeiliche Ermittlungsverfahren, die jedoch nicht abgeschlossen sind. Rechtskräftig verurteilt wurde jedoch noch niemand.

Die Entscheidung des Stadtrates von Sátoraljaújhely hatte in Ungarn landesweite Proteste ausgelöst. Nachdem zunächst Menschenrechtsorganisationen das Vorgehen der Stadt kritisiert hatten, sprach der Ombudsmann des ungarischen Parlamentes, Jenö Kaltenbach, Anfang September von einer Apartheid-Politik gegenüber Roma. Ebenfalls Anfang September forderte der ungarische Innenminister Gábor Kuncze den Bürgermeister und die Stadträte von Sátoraljaújhely auf, die Entscheidung zurückzunehmen. Nachdem diese dazu nicht bereit waren, leitete die Staatsanwaltschaft gegen Bürgermeister und Stadtrat Ermittlungsverfahren ein. Außerdem haben Menschenrechtsorganisationen beim Verfassungsgericht in Budapest Klage eingereicht.

Mitte September kam die Angelegenheit zudem vor den Menschenrechtsausschuß des ungarischen Parlamentes. Der Ausschuß hatte das Vorgehen der Stadt ebenfalls verurteilt und beschlossen, dem Parlament eine Resolution zu unterbreiten, in dem es sich gegen die Entscheidung des Stadtrates von Sátoraljaújhely aussprechen und die Diskriminierung der Roma allgemein verurteilen soll. Innerhalb der kommenden Wochen will das Parlament über die Resolution debattieren. Keno Verseck

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