: Die Belgrader Polizei prügelt wieder
Die serbische Opposition kündigt die Fortsetzung der Demonstrationen an. Sie protestiert gegen die Absetzung des Bürgermeisters und den Austausch in der Führung des unabhängigen Senders Studio B ■ Aus Belgrad Ivan Ivanji
Nach der Ablösung des oppositionellen Belgrader Bürgermeisters Zoran Djindjić haben Vertreter der serbischen Opposition die Fortsetzung ihrer öffentlichen Protestkundgebungen in der serbischen Hauptstadt angekündigt. „Wir werden uns trotz der Brutalität, die die Polizei gezeigt hat, wieder um 20 Uhr am Platz der Republik treffen, um gegen die illegale Übernahme des Senders Studio B zu demonstrieren“, sagte Cedomir Antić vom regimekritischen Studentenklub dem Lokalsender B 92 am Mittwoch. Zur Teilnahme an der Demonstration haben auch Djindjić' Demokratische Partei und die Bürgerallianz Serbiens von Vesna Pesić aufgerufen.
Mehr noch als wegen der neuen Koalition im Belgrader Rathaus waren die Menschen erbost über die Auswechslung der Führung des unabhängigen Senders Studio B. So hatten sich schon am Dienstag abend mehrere tausend Bürger im Zentrum der serbischen Hauptstadt versammelt. Der abgelöste Djindjić ließ sich nicht entgehen, in einer Rede seinen ehemaligen Verbündeten Vuk Drašković als Verräter zu bezeichnen. Drašković hatte im Belgrader Stadtparlament den Antrag auf Ablösung Djindjić' eingebracht.
Dann setzte sich ein Zug von Demonstranten in Richtung des Senders in Bewegung. Aus den Nebenstraßen drangen Spezialeinheiten der Polizei und prügelten brutal auf die Demonstranten ein. Es kam zu einer wahren Hetzjagd durch die engen Gassen. Mehrere Personen wurden verletzt oder vorläufig festgenommen. Die Situation erinnerte fatal an die Demonstrationen im letzten Winter.
Vuk Drašković, dem es augenscheinlich sehr peinlich ist, sich diesmal auf der Seite der Polizei vorzufinden, die ihn selbst so oft verfolgt hat, verurteilte deren Vorgehen. Er sei nicht in der Stadt gewesen, entschuldigte er sich und fügte hinzu: „Für diese Versammlung gab es keinerlei Ursache, aber sie ist ein Recht der Bürger.“
Die neue Lage führt bei vielen Belgradern zu wütenden Reaktionen, vor allem bei denen, die gemeinsam mit Drašković und Djindjić drei Monate lang gegen das Regime und seine Polizei protestiert haben. Nun scheint alles vergebens gewesen zu sein. Bei anderen löst dies eher ein Gefühl der Resignation und Apathie aus.
Wenige Tage vor der Stichwahl für die serbischen Präsidentschaftswahlen und den Präsidentschaftswahlen in der anderen Teilrepublik Jugoslawiens, Montenegro, hat sich die Lage unerwartet dramatisch verschärft. Viele Beobachter befürchten, daß die Ereignisse Wasser auf die Mühlen des radikalen Nationalisten Vojislav Šešelj sind. Das wird sich am kommenden Sonntag zeigen.
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