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Kabilas Einmarsch in Brazzaville

„Beobachtermission“ aus Kongo-Kinshasa landet in der Bürgerkriegsstadt. Der Truppeneinsatz in Kongo-Brazzaville nützt den Präsidenten beider Länder  ■ Aus Kinshasa Daniel Stroux

Immer wieder hallen Bombenexplosionen über den Kongo- Fluß. Der Krieg zwischen verfeindeten Milizen in Brazzaville, Hauptstadt der Republik Kongo, ist im gegenüberliegenden Kinshasa, Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo (Ex-Zaire), ständig gegenwärtig – an der engsten Flußstelle sind die beiden Städte gerade zwei Kilometer voneinander entfernt. Nun hat Laurent Kabila, Präsident von Kongo-Kinshasa, eine „Beobachtermission“ von etwa 1.000 Soldaten nach Brazzaville entsandt und damit erstmals in den seit vier Monaten dort tobenden Bürgerkrieg eingegriffen, der seit Juni über 4.000 Tote gefordert hat. Kabilas Soldaten sollen klären, welche Bürgerkriegspartei in Brazzaville Kinshasa in der letzten Woche mit einem Bombenhagel überzog und dabei rund 30 Menschen tötete. Außerdem sollen weitere Angriffe verhindert werden, möglicherweise durch Einrichtung einer Sicherheitszone. Abgesprochen ist die Mission mit dem Präsidenten von Kongo-Brazzaville, Pascal Lissouba.

Die Soldaten aus Kinshasa kommen in eine zerbombte Geisterstadt, in der heute kaum noch zehn Prozent seiner einst 800.000 Einwohner leben. Brazzaville ist geteilt zwischen den Milizen von Präsident Lissouba, denen des Oppositionsführers und ehemaligen Militärherrschers Denis Sassou- Nguesso sowie denen des früheren Bürgermeisters und heutigen Premierministers Bernard Kolelas, der mit Lissouba verbündet ist.

Die Frage, wer von diesen dreien die Bomben auf Kinshasa werfen ließ, ist allerdings längst beantwortet. Journalisten in Brazzaville sahen, daß die Geschosse aus dem Machtbereich von Präsident Lissouba abgefeuert wurden. So blühen nun die Spekulationen: Wollte Lissouba, der in vergangenen Monaten die frühere französische Kolonialmacht wegen ihres Nichteingreifens kritisiert hat, seinen Nachbarn Kabila zu einer Intervention provozieren – in einem Konflikt, den er ansonsten nicht gewinnen kann?

Oder war alles ein abgekartetes Spiel zwischen den beiden Präsidenten Lissouba und Kabila? Die Bomben könnten der Vorwand für den Einmarsch gewesen sein. Lissouba erhielte damit Unterstützung seines neuen Alliierten – die Allianz mit Kabila zeichnete sich in den letzten Monaten bereits durch mehrere gegenseitige Besuche ab. Und Kabila könnte in Brazzaville ehemalige Mobutu-Soldaten und ruandische Hutu-Milizionäre verfolgen, die auf Seiten Sassou- Nguessos kämpfen sollen.

Zumindest Sassou-Nguesso ist überzeugt davon, daß Kabila und Lissouba auf einer Seite stehen. Der Oppositionschef bezeichnete Kabilas Beobachtermission als „Kriegserklärung“. Nicht ganz zufällig sind die Kämpfe in Brazzaville seit Ankunft der ersten Soldaten aus Kinshasa wieder eskaliert. Lissoubas Milizen erzielen nach eigenen Angaben Geländegewinne.

Zumindest hat Kabila es verstanden, die Bombenangriffe politisch auszuschlachten. Erst schoß seine Armee heftig nach Brazzaville zurück, mit bis zu zehnfacher Feuerkraft. Dann wurden die Toten in Kinshasa mit höchsten Würden betrauert. Auf einen Trauertag mit geschlossenen Geschäften am Dienstag folgte am Mittwoch ein Staatsbegräbnis. Bei der Feier im Volkspalast waren fast die gesamte Regierung, Vertreter von Armee und Kirche und andere hohe Würdenträger versammelt. Der Gouverneur von Kinshasa hielt eine emotionale Ansprache, Kirchenlieder wurden gesungen, und draußen auf der Straße drängelten sich Menschenmassen. Hunderte von Studenten, die getötete Kommilitonen betrauern wollten, protestierten während der Rede des Gouverneurs so lange, bis eine Delegation hineindurfte. Anwesend war auch der Premierminister von Kongo-Brazzaville, Bernard Kolelas. Nur Kabila fehlte – er verkündete dann am selben Tag gemeinsam mit Lissouba den Beschluß zur Truppenentsendung.

Beim Interventionsbeschluß könnte auch die innenpolitische Lage in Kongo-Kinshasa eine Rolle gespielt haben. Kabilas Popularität ist seit seiner Machtergreifung im Mai beständig gesunken und liegt laut einem Meinungsforschungsinstitut heute bei einem Tiefpunkt von zehn Prozent. Zudem hat die bislang verhinderte UN-Mission, die insbesondere Massaker an ruandischen Flüchtlingen vor, während und nach Kabilas Machtergreifung untersuchen soll, zu erheblichen Dissonanzen mit den USA und den EU-Ländern geführt. Die Intervention in Brazzaville eignet sich dazu, in gewissem Maße davon abzulenken. Frankreich und die USA haben die Truppenentsendung bereits begrüßt, weil sie eine weitere Eskalation der Lage verhindere.

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