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■ SoundcheckBill Wyman & the Rythm Kings / Rickie Lee Jones

Gehört: Bill Wyman & the Rhythm Kings. Wer am Freitag abend die beiden weltweit ersten Konzerte von Ex-Stones Baß-Meister Bill Wyman und seinen Rhythm Kings in der Fabrik versäumt hat, sollte sich schämen.

Selten hörte man musikalisch eine ausgewogenere Band auf einer Hamburger Bühne, eine sympathischere wohl sowieso nicht. Nie hörte man den „Mystery Train“extatischer als auf der Bottleneck-Gitarre von Peter Frampton, dem ehemaligen Humble Pie Lead-Gitarristen: Der kam live und gewaltig und lieferte sich mit Blues Brother und Ex-Eric „The God“Clapton Side-Man Albert Lee eine Blues-Guitar-Battle, daß allen Besuchern in beiden total ausverkauften Konzerten die Glückstränen kamen. Ihre Fassung des Klassikers „Green River“muß man schon als legendär bezeichnen. Georgie Fame an der Orgel und Gary Brooker (Ex-Procol Harum) am E-Piano swingten, sangen und entertainten vom Feinsten.

Gary Brooker überraschte dabei genauso als hervorragender Blues-Barde, wie Bill Wyman mit Eigenkompositionen überzeugte. Und dann war da noch die Geburt eines neuen Sanges-Stars zu vermerken: Die schwarze Beverly Steed zelebrierte den gesungenen Blues und „Mojo-Boogie“für die Gänsehaut-Bildung. Augen- und Ohrenweide Melanie, die schönste Ikone aller Background-Sängerinnen aller Zeiten, bewegte den Hüft-Blues in Blond für Feinschmecker.

Und Mister Wyman? Kannten wir ihn überhaupt? Lachend, bescheiden, mit einem perfekten Baß-Spiel, daß es jeder R&B-Band der Welt zur Ehre gereichen würde, mit diesem Mann zu spielen. Einer, der die Steine wahrhaft ins Rollen bringen kann, so wie anno 1971 auf der LP The London Howlin' Wolf Session mit Steve Winwood, Charlie Watts und Eric Clapton. Mit seinen Rhythm Kings ist er unterwegs zur Auferstehung an seinem Geburtsort, zu den London-Clubs, in denen Alexis Corners Blues Incorporated alles für die Geschichte des weißen R&B tat, was wir in den letzten 35 Jahren hören und erleben durften. Hier traf Bill auch Mick und Meister Keith. Mit seinen Rhythm Kings walkt er jetzt euphorisch auf der „Tobacco Road“. Und als um 1 Uhr nachts auch noch Überraschungsgast Rickie Lee Jones für einen Song auf die Bühne kam, erlebten wir die wahren Rhythmus-Könige. Gunnar F. Gerlach

Soundcheck

Gehört: Rickie Lee Jones. Es dauerte einen Moment, bis Rickie Lee Jones im Grünspan gelandet war. Contrabaß, Drums, E-Gitarre und der Mann an den Knöpfen hatten schon einen roten Klangteppich ausgerollt, als die Lady mit den langen blonden Haaren, die sich bereits seit Jahren gerne mit den Vögeln unterhält, von links die Bühne anflog. Erst der schwarze Anzug, dann mit kurzer Verzögerung die nie alternde Stimme, später dieses herzerweichende Lächeln, als hätte die 45jährige US-amerikanische Songwriterin nicht mehr damit gerechnet, daß wir alle durch den Regen laufen würden, nur um sie zu hören.

Wann sie allerdings wirklich ankam im ausverkauften Grünspan, ist schwer zu sagen; ihre etwas glasigen Augen schienen mehr in den eigenen Kopf zu blicken. Was sie da sah, war nicht schön: Babys auf Heroinentzug, deren Mütter auf dem Cover des Rolling Stone prangen; Träume, in denen sich Reste ihrer Abtreibung im Mobiliar eingraben. „Everybody has been kicked, everybody has been dirt“war die Botschaft des Abends.

Jones spielte fast ausschließlich Songs von ihrem neuen Album. Live waren die elektronischen Arrangements eindringlicher, da die Musikerin sie improvisierend stets in die Richtung abdriften ließ, die ihr gerade vor – oder hinter – Augen stand. Eine Bühne mit Aura, von der die Sängerin noch zwei Stunden mit einem förmlich-ergreifenden „It was most enjoyable“abhob, nicht ohne ein Stück Himmel dazulassen. Christiane Kühl

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