■ Mit frauenbewegter Literatur läßt sich seit Mitte der siebziger Jahre viel geld verdienen. Nun ist der Boom vorbei
: Erfolg auf ganzer Linie

Mit Frauenliteratur ist Geld zu machen. Allein 7.700 Bücher speziell für Frauen führt der Buchgroßhandel Koch, Neff und Oetinger im Sortiment. Die Branche weiß: Frauen lesen mehr als Männer – und sind immer häufiger auch Produzentinnen von Literatur. Ein Drittel aller Titel im deutschsprachigen Raum, so eine Studie des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, stammt von Frauen.

Das war vor 30 Jahren, also kurz vor Geburt der neuen Frauenbewegung, noch anders. Bücher speziell für Frauen gab es meist nur in Form von Ratgebern und Lebenshilfebroschüren. Vor zwei Jahrzehnten begannen sich in jeder größeren Stadt Frauenbuchläden und -verlage zu etablieren. Ihr Programm: „Frauen Gehör verschaffen“. Übriggeblieben sind 30 Frauenbuchläden und zwölf Frauenverlage. „Das Geschäft geht schlecht“, klagt Anke Schäfer vom Feministischen Buchverlag Wiesbaden.

Eine Erfolgsgeschichte neigt sich ihrem Ende zu. Schon Ende der siebziger Jahren richteten Großverlage wie Rowohlt Frauenreihen ein. „Die wußten früh, daß sich mit Frauenliteratur Geld machen läßt“, sagt Ika Hügel vom Berliner Verlag Orlanda. Kollegin Anke Schäfer ergänzt: „Wir haben den Weg für Autorinnen geebnet.“

Die Fischer-Reihe „Die Frau in der Gesellschaft“ stellt inzwischen knapp zehn Prozent der Taschenbuchneuerscheinungen. Insgesamt 480 Titel wurden seit 1978 publiziert. „Die Reihe läuft gut“, bestätigt Herausgeberin Ingeborg Mues. Aber nicht mit ausdrücklich feministischer Literatur. Kultbücher wie Anja Meulenbelts „Die Scham ist vorbei“ oder Svende Merians „Der Tod des Märchenprinzen“ hatten nicht annähernd soviel Erfolg wie Hera Lind & Co. „Früher wurde identifikatorisch geheult, heute wird gemeinsam gelacht“, meint Regine Elsässer vom Mannheimer Xanthippe-Verlag.

Selbstironie als neue Qualität in der Frauenliteratur? Der Fischer-Verlag landete 1987 mit der bis dahin unbekannten Eva Heller den Trendsetter „Beim nächsten Mann wird alles anders“. Der „schmale Roman“, so der Spiegel, verkaufte sich bis heute mit knapp zwei Millionen Exemplaren. Hera Lind setzte diese Erfolgslinie fort. „Ein Mann für jede Tonart“ schaffte eine Auflage von 1,1 Millionen, das „Superweib“ sogar das Doppelte. Der Piper-Verlag verdankt seine guten Bilanzen nicht zuletzt seiner Autorin Gaby Hauptmann. Sie schaffte bislang eine Gesamtauflage von über zwei Millionen.

Lukrativ auch das Genre Frauenkrimi. 1988 erschien der erste Kriminalroman unter dem „Ariadne“-Siegel, hat die Reihe eine siebenstellige Auflage. Auch Goldmann verschafft sich derzeit mit dem leichten Thrill jede Woche ein sicheres Plätzchen in der Bestsellerliste. Minette Walters „Bildhauerin“ verkaufte sich knapp eine Million mal. Die „Landhaus“- Krimis von Elizabeth George kommen zusammen auf eine Auflage von 3,9 Millionen; Joy Fieldings Frau-in- Gefahr-Schmöker erreichten immerhin über zwei Millionen.

Mit Unterhaltungsstoff läßt sich absahnen – Zeigefingerliteratur bleibt dafür in den Regalen liegen. Alle Rekorde schlägt da wohl Rosamunde Pilcher mit ihrer Herzschmerzprosa, Gesamtauflage 13 Millionen. Es sei kein Geheimnis, so Ingeborg Mues vom Fischer-Verlag, „daß mit Unterhaltung das Geld reinkommt“. Aber das habe auch sein Gutes, „damit stützen wir schwierige, programmatische Literatur“. Auch der Hamburger Argument- Verlag finanziert seine theorielastigen Titel mit den „Ariadne“-Frauenkrimis. Und das solle auch so bleiben.

Rowohlt dagegen gibt das Label „neue Frau“ auf. „Die Reihe hat ihre emanzipatorische Aufgabe erfüllt“, so Rowohlt-Referentin Julia Tomys. Seit November 1977 sind 251 Titel unter diesem Titel „neue Frau“ erschienen, darunter Bestseller wie „Der Schattenmund“ von Marie Cardinal, „Die Farbe Lila“ von Alice Walker oder „Jazz“ von Toni Morrison. Die Einstellung hat noch einen anderen Grund: „Immer mehr Titel aus der Reihe werden auch von Männern gelesen“, sagt Tomys – da könne man gut aufs Frauenetikett verzichten.

Regine Elsässer vom Frauenverlag „Xanthippe“ pflichtet ihr bei: „Es ist normal geworden, daß Frauen Bücher schreiben.“ Ziel erreicht – alles paletti? Nicht ganz, meint die Verlegerin: „Bitter, aber wir haben uns selbst überflüssig gemacht.“ Uta Andresen