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Kredite aus Mildtätigkeit, Beteiligung statt Zinsen

■ Der Weltspartag ist nicht für alle. Muslime können die Zinsen nur schwer umgehen

Freiburg (taz) – „Der Weltfeiertag der Sparkassen soll nicht ein Tag des Müßiggangs sein, sondern ein Tag der Arbeit, an dem die Handlungen aller von dem Ideal der Sparsamkeit erfüllt sein sollen...“, so lautete der Resolutionstext des ersten internationalen Sparkassenkongresses, der Ende Oktober 1924 in Mailand stattfand. Weltweit werben die Sparkassen seitdem immer am 31. Oktober mit besonderen Geschenken und günstigen Sparpaketen für eifrige Sparer. Nur in Deutschland wurde der Weltspartag aus Rücksicht auf den Reformationstag auf den 30. Oktober verschoben.

Doch was machen diejenigen, deren Glauben es ihnen verbietet, Zinsen anzunehmen? In Deutschland sind das rund 2,8 Millionen Muslime, vor allem aus der Türkei. Der Grund für das islamische Zinsverbot sei ganz einfach, meint Ghulam Totakhyl: „Bei uns sollen die Finanzen nicht brachliegen, sondern im Umlauf sein: das Geld muß immer der Allgemeinheit dienen.“ Totakhyl ist Generalsekretär des „Islamrats für Deutschland“ in Bonn, dem Dachverband aller islamischen Glaubensgemeinschaften, Verbände und Vereinigungen in Deutschland. „Wer genug Geld hat, soll deshalb investieren“, meint er, „zum Beispiel in Arbeitsplätze.“

Auch Kreditgeber dürfen keine Zinsen verlangen. Sie sichern sich ihren Profit beispielsweise über eine Beteiligung am Gewinn und Verlust des Kreditnehmers: „Im Islam werden Kredite aus religiös motivierter Mildtätigkeit vergeben und nicht aufgrund der Gewinnabsicht von Banken“, sagt Totakhyl. Das mit den Zinsen sei letztlich auch eine moralische Angelegenheit: „Wer in großer Not ist und Geld benötigt, der wird auch mit seinem Gewissen vereinbaren können, Zinsen zu zahlen.“

Ohne Zinsen arbeitet keine Bank in Deutschland. Trotzdem gehen Muslime dort ein und aus. Keinem in der westlichen Welt lebenden Muslim könne die kompromißlose Einhaltung der strengen Vorschriften von zu Hause zugemutet werden, meint dazu Totakhyl. Schon allein, um nicht ausgegrenzt zu werden.

Bei Sparguthaben sei es vertretbar, die Zinsen anzunehmen, sie aber gleich abzuzweigen. Etwa als Spende für gemeinnützige Organisationen. Nicht alle Banken sehen sich in der Lage, auf die spezifischen Probleme der Mitbürger einzugehen. So bleibt das zinslose Girokonto die Standardlösung, da es eine islamische Bank weder in Deutschland noch in Europa gibt.

Als Alternative für diejenigen Muslime, denen die Variante der Zinsumverlagerung keine Probleme bereitet, könnte sich Totakhyl die Ökobank vorstellen. Ein Verzicht auf Zinsen ist dort möglich, dann nämlich fließt der so überlassene Anteil am Gewinn 1:1 in einen der sieben Förderfonds der Genossenschaftsbank – was wiederum zinsvergünstigte Kredite für förderungswürdige Projekte und Unternehmen möglich macht. Außerdem geht laut Ökobank jede Mark Gewinn wieder in die Bank zurück. Carola Schmitz

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