: Appell für Sarkuhi
■ Frau des im Iran inhaftierten Schriftstellers fürchtet das Vergessen
Berlin (taz) – Genau ein Jahr nach dem Verschwinden des iranischen Schriftstellers Faradsch Sarkuhi hat sich gestern seine Frau in einem Appell an die Öffentlichkeit gewandt. Sie habe Sorge, daß die Diskussion um das Schicksal ihres Mannes einschläft, schreibt die in Berlin lebende Farideh Sebardaschad.
Der Regimekritiker war am Morgen des 3. November 1996 auf dem Teheraner Flughafen vom iranischen Geheimdienst verschleppt worden, als er gerade zu seiner Familie nach Deutschland reisen wollte. Die iranischen Behörden versuchten, die Entführung zu vertuschen. Auf einer inszenierten Pressekonferenz mußte der im illegalen iranischen Schriftstellerverband aktive Sarkuhi später erklären, er sei in Europa gewesen, wegen familiärer Schwierigkeiten habe er aber seine Frau nicht besucht. Später schmuggelte Sarkuhi einen aufsehenerregenden Brief aus dem Gefängnis, in dem er diese Darstellung als das Ergebnis von Folter und Erpressung entlarvte.
Im September dieses Jahres verurteilte ein Revolutionsgericht Sarkuhi zu einem Jahr Haft. Der Schriftsteller habe Propaganda gegen die Regierung der Islamischen Republik Iran verbreitet. Der Prozeß fand hinter geschlossenen Türen statt. Selbst Verwandte Sarkuhis durften nicht teilnehmen. Die iranischen Behörden versuchten, dem Schriftsteller einen Pflichtverteidiger aufzudrängen, um zu verhindern, daß eine von der Familie ausgesuchte Anwältin den Fall übernahm. Schließlich soll Sarkuhi sich selbst verteidigt haben.
Freunde Sarkuhis vermuten, die Verurteilung wegen regierungsfeindlicher Propaganda beziehe sich unter anderem auf den ins Ausland geschmuggelten Brief. Das Gericht hatte beschlossen, Sarkuhi seine „Untersuchungshaft“ anzurechnen. Eigentlich hätte er also gestern freigelassen werden müssen. Doch nach iranischer Darstellung wurde der Schriftsteller nicht am 3. November 1996 verhaftet, sondern erst Anfang Februar 1997 bei einem Versuch, die Islamische Republik illegal zu verlassen – eine weitere Inszenierung des iranischen Geheimdienstes. Thomas Dreger
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