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SPD verschiebt ihren Rentenstreit

■ Der Koalitionsvorschlag, die Rentenreform vorzuziehen, hat der SPD eine Atempause verschafft. Ihr interner Streit wurde auf Eis gelegt

Bonn (taz) – Der Sprecher der SPD-Parteizentrale, Michael Donnermeyer, zeigte Erleichterung. „Glück gehabt“, sagte er, als am Montag bekannt wurde, daß die CDU die Rentenstrukturreform auf 1998 vorzieht und damit den Bogen der Kompromißbereitschaft der SPD in der Frage der Rentenbeiträge überspannt. „Das erspart uns viel Arbeit.“ Doch was spaßig gemeint war, hat einen ernsten Hintergrund. Die SPD ist durch das Manöver der CDU auf einmal fein raus.

Noch vor kurzem war der Vorwurf der Koalition, die SPD blockiere eine Lösung bei den Rentenbeiträgen, nicht ganz von der Hand zu weisen. Die Sozialdemokraten kritisierten zwar den von der Koalition beschlossenen Anstieg des Rentenbeitrags von 20,3 auf 21 Prozent, lehnten aber die von der Koalition vorgeschlagene Gegenfinanzierung durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer ab. Sie beharrten auf ihrem Vorschlag, einer Entlastung der Rentenkasse durch einen Punkt Mehrwertsteuer nur dann zuzustimmen, wenn gleichzeitig die Mineralölsteuer für die Arbeitslosenversicherung angehoben würde. Wortführer dieser Linie war Rudolf Dreßler. Bundesarbeitsminister Norbert Blüm parierte die Hartnäckigkeit der SPD, indem er in Anspielung auf den Rentenexperten Dreßler sagte: „Ich habe noch nie einen Tarifpolitiker getroffen, der zwei Prozent gefordert hat, dem ein Prozent angeboten wird und der dann sagt: Null Prozent ist mir lieber.“

Die SPD reagierte. Zuletzt schien es so, als wolle sie dem Vorstoß Gerhard Schröders folgen, einer Erhöhung der Mehrwertsteuer ohne gleichzeitige Anhebung der Mineralölsteuer zuzustimmen. Hinter den Kulissen sah es anders aus. Zunächst mußte Schröder auf der Präsidiumssitzung der SPD am Montag Kritik einstecken. Präsidiumsmitglieder warfen ihm vor, sich auf Kosten der Partei profiliert zu haben. Ein Genosse sagte gestern noch, durch die von Schröder propagierte Linie entstehe der Eindruck, als habe die SPD bisher wirklich nur blockiert.

Die SPD hätte in der Tat noch viel Arbeit gehabt, die verschiedenen Meinungen unter einen Hut zu bekommen. SPD-Chef Oskar Lafontaine hat sich noch nicht festgelegt, ob er eine isolierte Mehrwertsteuererhöhung mittragen wird. Teile der Fraktion, insbesondere Dreßler, lehnen es völlig ab, der Koalition entgegenzukommen. Aufgrund der Entscheidung der CDU, die Rentenstrukturreform vorzuziehen, scheint der Streit um die richtige Linie der SPD beigelegt. Sie lehnt die isolierte Erhöhung der Mehrwertsteuer ab, und auch eine Absenkung des Rentenniveaus schon 1998 will sie auf keinen Fall mittragen. Wer kann ihr das übelnehmen?

Allerdings: Aus dem Umfeld des zweiten potentiellen SPD- Kanzlerkandidaten, Oskar Lafontaine, wird Schröders Alleingang mittlerweile in Schutz genommen. Man habe Verständnis dafür, daß Schröder sich im Vorfeld der Landtagswahlen profilieren wolle. Zudem habe Schröder mit seinem Angebot signalisiert, daß die SPD sich durchaus gesprächsbereit zeige. Die Wähler würden es honorieren, daß die SPD Kompromißbereitschaft gezeigt habe. Zudem stehe nun die CDU als Blockadepartei da, weil sie zu hohe Hürden für eine Einigung mit der SPD aufgebaut habe. Markus Franz

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