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USA: Louise Woodward ist frei

■ Richterliche Korrektur eines katastrophalen Fehlurteils

Dies war der erste Gerichtsprozeß, der von einem transatlantischen Schlagzeilenkrieg begleitet wurde. Diesseits – vor allem in den britischen Medien – die Verteidigungskampagne für Louise Woodward. Wenn schon keine Mary Poppins, so ist sie doch ein unschuldiges englisches Mädel, das in einer diabolischen US-Seifenoper als Geisel genommen worden war. Jenseits des Atlantiks hingegen verschmolzen die Worte „Alien“ und „Au pair“ zu einem Begriff des Schauderns. Welchen ausländischen Billigkräften, so fragte man sich in Suburbia, kann man die Betreuung des Nachwuchses noch anvertrauen, wenn sogar ein Mädchen, das sich nur durch den „unschuldigen britischen Akzent“ von den Nachbarstöchtern unterscheidet, zur Kindsmörderin wird?

Aber lassen wir die Meta-Ebenen beiseite. Die richterliche Korrektur eines katastrophalen Fehlurteils gegen die 19jährige Engländerin zieht die Frage nach Sinn oder Unsinn des Geschworenensystems nach sich – zumindest dann, wenn es um Kapitalverbrechen geht. „Jeder denkt beim Richten über seinen Nachbarn daran, daß er selbst einmal abgeurteilt werden könnte“, schrieb einst Alexis de Toqueville über das Jurysystem in Amerika, das er als Ausdruck der Volkssouveränität verstand. Rund 150 Jahre später darf man davon ausgehen, daß Menschen im allgemeinen und Geschworene im besonderen oft nicht in der Lage sind, diesen Grundsatz zu beherzigen. In Strafprozessen sind sie mit einer zunehmend komplexen Materie konfrontiert sowie mit Staatsanwälten und Verteidigern, die mit psychologischer Manipulation, theaterreifen Auftritten und geschicktem Einsatz von Vorurteilen alles daransetzen, zwölf juristische Laien auf ihre Seite zu ziehen – völlig egal, ob diese die rechtlichen Kriterien für ihre Urteilsfindung kapiert haben.

Dem hat Louise Woodwards Richter nun seine juristische Kompetenz und seine richterliche Autorität entgegengesetzt. Weil der ganze Prozeß ein Medienspektakel war, wurde das zu einem Signal. Das ist gut so. Zumal der Richter seinen Landsleuten in der Urteilsbegründung auch noch einen Satz des US-amerikanischen Gründungsvaters John Adams mitgegeben hat, den man im herrschenden „Law and order“-Klima derzeit gern ignoriert: „Es ist weitaus zuträglicher, wenn viele Schuldige ungestraft entkommen, als wenn ein Unschuldiger leiden muß.“ Andrea Böhm Bericht Seite 11

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