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■ Urdrüs wahre Kolumne60 Jahre Knackarsch

Ja, Menschenskind, Bernd Schulte, Sie sind doch, obwohl Bausenator in Bremen, ein Mensch mit guten Tischmanieren. Können vermutlich die Schillersche „Glocke“fehlerfrei rezitieren und verfügen sicher über Basiskenntnisse im Klavierspiel. Sie Bildungsbürger-Interpret durch und durch tirillieren also tatsächlich so freudig erregt wie Pirol und Nachtigall gemeinsam, wenn im Hemelinger Vogelschutzgebiet Betonplatten gegossen und damit Amsel, Fink und Star vertrieben werden? Haben Sie sich noch nie von der Lerche einen Dreiklang für Improvisationen am Piano vorgeben lassen? Die ganze humanistische Tour vergessen nur wegen Mörtel und Zement? Ich befürchte mittlerweile, daß sich Ihr Bücherschrank aus Hauptvorschlagsbänden des Leserings rekrutiert und Sie ins Theater-Abo schon länger die Putzfrau schicken. Weiß Ihr Herr Vater das?! Hat Ihnen dafür die Frau Großmutter die Bestimmungsbücher für Tier und Pflanze geschenkt? Vermutlich ist für Leute wie Sie der Buß- und Bettag abgeschafft worden.

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Zum dekorativen Interieur jeder protestantischen Jungmädchenkammer der späten 60er Jahre gehörte ein Poster mit dem nackerten Personal der Berliner Kommune 1: Das Gesicht zwar in gschämiger Lässigkeit der Wand zugewandt, aber die jugendfrischen Ärsche umso ausdrucksstärker. Einer dieser Ärsche von jenem Foto wurde jetzt am Buß- und Bettag in Bremen 60 Jahre alt: Hüttenbetriebsrat Eike Hemmer, der damals noch den Aufstieg von der Bourgeoisie in die Arbeiterklasse vor sich hatte. Immer noch knackig beisammen, der Kerl, und lebender Beweis dafür, daß die Expropriation der Expropriateure durch die Expropriierten immer noch ihre überzeugten und überzeugenden Agitatoren und Propagandisten hat. Es gibt ein Leben nach dem Kohl!

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In der Ausgabe der Berliner BZ vom 3. November fand ich erst jetzt einen Beitrag, den ich Werder-Trainer Wolfgang Sidka für die psychologische Kriegsführung andienen möchte. Dort heißt es: „Erstmals in der Bundesliga-Geschichte klaute Hertha im Weserstadion Werder die Punkte. Für einen der tapfersten Räuber kam zu Hause das böse Erwachen: Michael Dinzey wurde selbst beklaut. Ein dreister Einbruch in seine Lankwitzer Wohnung!“Tja, die Grün-Weißen haben eben Fans in allen Teilen der Bevölkerung. Möge diese Information andere Gastmannschaften nachdenklich stimmen!

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Das Recht auf Wohnen ist in Niedersachsen zum Staatsziel erhoben worden: Da wird sich Bremen etwas einfallen lassen müssen, um nicht durch Abwanderung der Berber weitere Bürger ans Umland zu verlieren. Immerhin könnte es auch eine gegenläufige Bewegung erklärter Nichtturner aus Hude, Delmenhorst und Weyhe geben; denn zugleich wurde auch der Sport als Verfassungsgut festgeklopft. Die Schließung aller bremischen Turnhallen wäre eine kostensparende Maßnahme, die zugleich die Attraktivität des Landes für Sportdissidenten als den bekanntlich intelligenteren Teil der Bevölkerung erhöhen könnte.

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Dem Volkshelden Harry Warrelmann, derzeit vor den Schranken der Klassenjustiz kämpfend, rufen wir ein kräftiges „Trotz alledem“zu und erwarten vollständige Rehabilitation. Andernfalls stehen da noch ein paar Blindgänger für das Revanchefoul bereit! Warnt eindringlich

Ulrich „TNT“Reineking

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