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Drei Heckenschützen in der Großen Koalition

■ Nach dem erneuten Scheitern der CDU-Medienräte sucht die Koalition nach den Motiven

Nach der erneut gescheiterten Wahl der CDU-Kandidaten für den Medienrat rätselten gestern CDU und SPD über die Motive der Abtrünnigen in den eigenen Reihen. Wie vor zwei Wochen hatten am Donnerstag abend der frühere Präsident des Verfassungsgerichts, Ernst Benda, und Jost von Trott zu Solz im Parlament die Zweidrittelmehrheit von 138 Stimmen verfehlt. Benda fehlte für seine Wiederwahl eine, Jost von Trott zu Solz sogar neun Stimmen, obwohl die Große Koalition über 142 Stimmen verfügt.

Von Trott will nun nicht erneut antreten. CDU-Fraktionschef Klaus-Rüdiger Landowsky will Benda dagegen für einen dritten Wahlgang gewinnen: „Wir werden ihn durchsetzen, das ist überhaupt keine Frage.“ Benda gilt parteiübergreifend als kompetent, an seiner Person scheiterte die Wahl gewiß nicht. SPD-Fraktionschef Klaus Böger sprach von einem blamablen Vorgang.

Ein Motiv für die Sabotage in den eigenen Reihen konnte SPD- Fraktionssprecher Peter Stadtmüller gestern nicht ausmachen. Es handle sich um eine „gezielte Destruktion von Anonymen“. Das sei „das Unheimliche“. Die Abstimmungspanne der Großen Koalition habe „eine neue Qualität“: „Bislang haben die Konflikte offengelegen.“ Jetzt tappen selbst die beiden Fraktionschefs im dunkeln. Die SPD-Abgeordneten waren am Dienstag noch einmal auf die Wahl der beiden CDU-Kandidaten eingeschworen worden, so Stadtmüller. Es habe nach ihrer Vorstellung vor der SPD-Fraktion keine Einwände gegeben. Jost von Trott zu Solz gilt als liberal-konservativ. Zur APO-Zeit war er RCDS-Vorsitzender.

Während die SPD gestern auf Schuldzuweisungen verzichtete, verortete CDU-Fraktionssprecher Markus Kaufmann die unsicheren Kantonisten beim Koalitionspartner. Allerdings gibt es derzeit in beiden Fraktionen Unzufriedene: In der CDU sind die Diepgen-Kritiker der „Union 2000“ im Aufwind, in der SPD wurde gerade ein Konflikt um den zu geringen Einfluß der Linken im Fraktionsvorstand beigelegt.

Der Zorn von CDU und SPD richtete sich gestern gegen die Grünen. Fraktionschef Wolfgang Wieland hatte vor dem Parlament erklärt, Benda sei ein kompetenter Mann, er habe ihn aber nicht mit wählen können. An die Adresse von CDU-Fraktionschef Landowsky sagte er: „Das war nötig, um Ihrem durch nichts begründeten Machtanspruch entgegenzutreten.“ Die Koalition verweigert der Opposition einen Sitz im Medienrat. In dem Gremium, das u.a. Sendelizenzen vergibt, sitzen drei SPD- und vier CDU-Vertreter. Dorothee Winden

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