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Mypegasus-Zwang war rechtswidrig

■ Arbeitsgericht hob Kündigungen von Schichau-Arbeitern auf / Mypegasus-Zwangsmodell verletzt den Kündigungsschutz

Einigermaßen verärgert reagierten gestern die Bremer Arbeitsbehörde und die Beschäftigungsgesellschaft „Mypegasus“auf ein Urteil des Bremer Landesarbeitsgerichtes (LAG), nach dem die Kündigung von zehn Arbeitern der Seebeck-Werft-AG 1996 rechtswidrig gewesen sei. Die zehn Arbeiter hatten sich geweigert, zugunsten des Übertritts in die Mypegasus-Gesellschaft auf ihre Rechte bei der Bremerhavener Vulkan-Werft zu verzichten.

In ihrer Urteilsbegründung erklärte die Vorsitzende der Ersten Kammer des LAG, Richterin Sabine Kallmann, daß das Unternehmen durch den Konkursverwalter beschlossen habe, nur noch Leiharbeiter der Mypegasus zu beschäftigen. Sie seien dann auch noch zum großen Teil auf ihren alten Arbeitsplätzen eingesetzt worden. Wenn dies ein Kündigungsgrund für andere Beschäftigte sei, so das Gericht, dann sei damit das Kündigungsschutz-Recht völlig ausgehebelt. Die Arbeiter seien zu Lohnverzicht bereit gewesen, die Konkursverwalter hätten damals zum Beispiel direkt mit den Arbeitnehmern und Gewerkschaften über Lohnverzicht verhandeln können, sagte Kallmann.

Die Kammer ist sich der Tragweite dieser Entscheidung wohl bewußt. Sie hat deshalb die Überprüfung der Entscheidung vor dem Bundesarbeitsgericht als „Revision“zugelassen. Von Konkursverwalter Wolfgang van Betteray war gestern aber nicht zu erfahren, ob er diese Revision auch anstrengen wird. Bestätigt das Bundesarbeitsgericht den Bremer Richterspruch, dann könnte es der Todesstoß für den kollektiven Zwang zu derartigen Beschäftigungsgesellschaften bundesweit sein.

Die Geschäftsführerin der Mypegasus-Gesellschaft, Ulrike Bohnenkamp, erklärte, die Ausführungen des Gerichts über Mypegasus seien „meinem Rechtsverständnis nach nur private, in einer Urteilsbegründung absolut unzulässige Äußerungen“. Mypegasus habe nicht auf dem Prüfstand des Arbeitsgerichtes gestanden, die politische Wirkung sei offenbar gewollt: „Individuelle Verweigerung in einer für alle schwierigen Situation wird nachträglich von einem Bremer Gericht belohnt.“

Auch der Staatsrat im Bremer Arbeitsressort, Arnold Knigge, blieb gestern dabei, daß trotz des Urteils die Gründung der Mypegasus „der richtige Schritt“gewesen sei. Andernfalls hätten 4.360 Arbeiter von heute auf morgen auf der Straße gestanden. Knigge wertete die Entscheidung des Gerichts als Aufforderung, zukünftig „noch stärker“darauf zu dringen, daß alle Arbeitnehmer freiwillig auf ihre Rechte verzichten.

Im Falle der Schichau-Werft hatten 20 Arbeitnehmer den Mypegasus-Vertrag nicht unterschrieben. Auch in Bremen liegen einige der Verfahren, die Beschäftigte des Bremer Vulkan betreffen, noch vor dem Arbeitsgericht.

Gerade den psychologischen Druck und die Überrumpelungstaktik hatten die Anwälte der zehn Kläger, die Bremerhavener Arbeitsrechtler Walter und Klemeyer, heftig kritisiert. An einem Freitag seien die Beschäftigten Ende März 1996 mit einer komplizierten arbeitsrechtlichen Verzichtserklärung überrascht und von den Gerkschaftsvertretern unter Druck gesetzt worden mit der Behauptung, wer nicht unterschreibe, sei am Montag beim Arbeitsamt. Die dann vom Unternehmen durchgesetzte Entlassung ist nach dem Spruch des Landesarbeitsgerichtes rechtswidrig gewesen.

Die zehn Arbeiter können gegen die SSW-AG eine Lohn-Forderung von ca. einer Millionen Mark geltend machen. Die SSW-AG befindet sich allerdings in Konkurs, der Werftbetrieb wird von der Schichau-GmbH mit 600 Mitarbeitern fortgeführt. K.W.

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