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Gepriesene Alchemie

Michael Kramer wurde der diesjährige Bremer Förderpreis für Kunsthandwerk verliehen. Den Glasbläser bei der Arbeit beobachtete  ■ Kerstin Schneider

Magisch zieht das glühende Orange den Blick immer wieder in seinen Bann. Die Luft im Ofen flirrt. Das Gemisch aus Gas und Sauerstoff zaubert einen Feuerschein, der an das Glühen der Abendsonne erinnert. Es ist schwül in der Glaswerkstatt von Michael Kramer (33) in Bremen-Vegesack. Die Hitze treibt den Schweiß aus den Poren. „Nicht in den Ofen schauen, das ist nicht gut für die Augen“, mahnt Kramer und stülpt sich die dunkle Schutzbrille über. Seit fünf Jahren betreibt er ein Heißglasstudio im Kulturzentrum KITO. Jetzt ist der gebürtige Schweizer mit dem Bremer Förderpreis für Kunsthandwerk ausgezeichnet worden. Die mit 5.000 Mark dotierte Auszeichnung wird alle zwei Jahre von der Stadt vergeben.

Zehn Tage braucht der Ofen, in dem bei 1.300 Grad ein Gemenge aus quarzhaltigem Sand, Soda, Pottasche und Barium zu Glas geschmolzen wird, um sich aufzuheizen. Zwei Wochen zum Abkühlen. Kramer steckt seine 1,30 Meter lange Glaspfeife aus Metall in den Ofen und sticht in die träge, durchsichtige Masse aus flüssigem Glas. „Jedes Stück fängt mit einer Kugel an“, erklärt er und nimmt die Pfeife wieder aus dem Ofen. Kramer hält den Metallstab in einen zweiten Ofen, den sogenannten Muffelofen, in dem das Glas wieder erwärmt und geformt wird. Ein paar Sekunden später nimmt er die Pfeife wieder heraus und bläst kurz ins Mundstück, so daß sich das Glas zu einer Kugel aufbläht.

„Rein zufällig“sei er nach dem Abitur in Luzern Glasmacher geworden, erzählt Kramer im Schweizerdeutsch: „Ich wußte nicht, was machen.“Nach dem Besuch in einer Glashütte in Hergiswiler war er von den Arbeiten tschechischer Glaskünstler „so fasziniert“, daß er beschloß, Glasmacher zu lernen. Heute wie damals ein seltener Beruf. 1.712 Beschäftigte, die als Glasmacher oder in artverwandten Berufen arbeiten, zählte die Statistik der Bundesanstalt für Arbeit 1995 in Deutschland. Hinzu kommen etwa 15 selbständige Glasmacher. Zum Vergleich: Es gibt etwa 2,7 Millionen Bürokaufleute in Deutschland.

„Anstrengend“sei die Arbeit in der heißen Glashütte gewesen, erinnert sich Kramer. Deshalb stand schon vor Ende der dreijährigen Lehrzeit für ihn fest, daß er sich nicht mit Massenproduktion, sondern mit hochwertigem Studioglas beschäftigen wollte. Er arbeitete als Assistent bei verschiedenen Glas-Designern in der Schweiz, in Frankreich und in Dänemark. „Doch schon bald war mir klar, daß ich was mehr muß“. Kramer ging nach England, studierte Kunst und Design. Anschließend leitete er einen „Glasverkaufsladen“in der Schweiz und fing an, seine eigene Kollektion zu entwerfen. Inzwischen hat Kramer seine Stücke in zahlreichen Ausstellungen im In- und Ausland präsentiert. Andere stehen in Museen in Hamburg und Zürich.

Die Kugel hat inzwischen durch immer wieder neues Erhitzen und dem anschließenden Abkühlen eine eher längliche Form angenommen. Blitzschnell setzt Kramers Assistent, der Australier John Baskett, mit seiner Glaspfeife einen Tropfen zähflüssigen Glasses auf das Stück. „Teamarbeit ist beim Glasmachen alles“, sagt Kramer und dreht die Pfeife. „Ohne Assistenten kann man nicht arbeiten.“Der Tropfen wird unter ständigem Drehen zur Blase geschwungen. Als Kramer die Glasblase mit einer Zange öffnet, sieht das Stück einen Moment lang aus wie ein Trinkglas. Doch dann formt der Glasmacher den Kelch zu einem flachen Fuß. Ein Kerzenständer – 500 Grad heiß. Eine Nacht lang muß das Stück in einem Spezialofen langsam heruntergekühlt werden, bevor es zum Verkauf in der Vitrine ausgestellt werden kann.

Was für den Betrachter aussieht, wie ein kompliziertes, viel Geschicklichkeit erforderndes Verfahren, ist für Kramer eher Routine. Die Förderpreis-Jury überzeugte der Künstler mit der sogenannten Reticello-Technik, die in der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts von den venezianischen Glasbläsern erfunden wurde.

Kramer erhitzt dafür farbige Glasstangen und ummantelt sie mit Klarglas. Gemeinsam mit seinem Assistenten zieht er die Glasstangen durch die Werkshalle zu einem 15 bis 20 Meter langen Faden. Dieser Faden wird dann zu etwa zehn Zentimeter kurzen Glasfäden zerbrochen, die anschließend wiederum zu Platten zusammengeschmolzen werden. Auf diese Weise entsteht auf Kramers Gläsern ein spiralförmige Muster.

„Gutes Handwerk ist die Herausforderung“, sagt Kramer, dem die Jury „perfekte handwerkliche Meisterschaft“bescheinigt hat. Formen benutzt er selten. „Man muß lernen, das Material zu beherrschen, und aufpassen, daß einen das Material nicht beherrscht.“

Deshalb will Kramer mit seinen Stücken auch keine Geschichte erzählen. „Mich interessiert mehr das Spiel von Form und Farbe“, sagt er. Seine Teller, Flaschen, Vasen und Gläser haben klare, einfache Formen, die sich durch bescheidene Strenge auszeichnen.

Zu seinen Lieblingsstücken, die inzwischen unter anderem auch von Rosenthal vertrieben werden, gehören die Split-Vasen, zwei Formen die sich, ineinandergestellt, zu einer Vase zusammensetzen. 320 Mark kostet die Vase aus der Pfeife Kramers.

Die mundgeblasenen Gläser verkauft er ab 50 Mark aufwärts. Seine registrierten Einzelstücke kosten mitunter 2.000 Mark. Nur eines verkauft der Perfektionist ungern. Ausschuß. Stücke, die nur den kleinsten Fehler aufweisen.

Die jetzt mit dem Förderpreis ausgezeichneten Arbeiten sind noch bis zum 18. Dezember in der Galerie Jacobus-Major, Wüstestätte 10, im Bremer Schnoor-Viertel zu sehen. Außerdem verkauft Kramer Stücke seiner Kollektion auf dem Kunsthandwerkermarkt in der Unteren Rathaushalle oder in seinem Studio, Alte Hafenstraße 30, in Breme-Vegesack. Kramer stellt zur Zeit auch im Hamburger Museum für Kunst und Gewerbe aus.

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