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Uefa-CupFast-Triumph der Lehrlinge

■ Nach Bochums Uefa-Cup-Aus gegen Ajax verpaßt Klaus Toppmöller den Kleidertausch

Bochum (taz) – Minute 92 läuft, alles ist gelaufen bei Spielstand 2:2 und dem 2:4 im Vorspiel: Da tritt Amsterdams Jari Litmanen einen aussichtsreichen Freistoß am Bochumer Strafraum zurück in den eigenen Mittelkreis. Noch zwei Stationen, und der Ball ist beim Torwart. Für Darius Wosz ein deutliches Zeichen, daß Ajax selbst in der Nachspielzeit „noch großen Respekt“ vor dem VfL gehabt habe.

Ja, so der schnellfüßige wie -züngige Mittelfeldmann: Dieser tolle Fast-Triumph werde dem Tabellensechzehnten der Bundesliga richtig Power geben, jetzt gehe es wieder nach oben, ja doch, durchaus noch Richtung Uefa-Cup-Ränge. Abstiegsgefahr? Pah! Tribünenweit sangen sie ihre unvermeidliche Grönemeyer-Hymne.

Fußball ist so populär, weil es so schön einfach ist, ein Spiel kompliziert widersprüchlich in alle Richtungen zusammenzuinterpretieren. Das phasenweise prickelnde Uefa-Cup-Achtelfinale Bochum–Amsterdam, das Duell Klein–Groß, hier durchgängig „Lehrling gegen Lehrmeister“ genannt, bewies dies wieder einmal hinlänglich.

Doch, die spielfreudigen Bochumer waren nah dran an der großen Überraschung gegen einen eigentlich überlegenen Gegner, aber doch für jeweils kurze Zeit. Fünf Minuten lang fehlte nur ein weiterer Treffer – da spürte jeder im Stadion, wie aus Ajaxens Arroganz akute Angst wurde. Und der freundliche Coach Morten Olsen „fast verrückt“ geworden wäre, weil er wußte: „Die Deutßen hören immer erst in die Kabine auf zu kämpfen.“

Im Hinspiel hatte den Bochumern hauptsächlich Konzentration gefehlt (aber davon reichlich), als sie sensationell 2:0 führten, in elf Minuten vier Stück kassierten und das Allgemeen Dagblad freudig geschrieben hatte: „Wahrscheinlich ist Bochum die einzige deutsche Mannschaft, die auswärts nicht verteidigt.“ Was die selbst ernannten Offensiv-Philosophen auch zu Hause nicht richtig taten. Und so fiel nach dem wahrlich rasanten Kracher des verwunderlich guten Zoran Mamic (68.) schnell der Ausgleich (73.) durch Wirbelwind Dani (Erkenntnis: Portugiesen können doch das Tor treffen – warum versagten sie es gegen die Bertmänner so schändlich?) und damit alle Hoffnung in sich zusammen.

Klaus Toppmöller, der Lehrmeister der Lehrlinge, neigte hernach zu optimistischen „Noch“-Sätzen: „Ajax war noch ballfertiger als wir.“ Und: „Ajax ist uns noch einige Schritte voraus.“ Der deutsche Ajax-Kopist hatte sich auf das Spiel „wie ein kleines Kind auf Weihnachten“ gefreut und bekam kurz nach Nikolaus vom nachbarlichen Zwarten Piet statt Geschenken nur die Rute. Der einvernehmliche Trikottausch am Schluß ist insofern bemerkenswert, als sich Nachbar Schalke, insbesondere Keeper Lehmann, für die Auslosung nächsten Mittwoch auf einen weiteren potentiell netten Viertelfinal-Gegner freuen kann.

Schade übrigens, daß Coaches nicht auch zum Kleidertausch neigen: Toppmöller wäre an Olsens feinen Zwirn gekommen und seine gräßlich regenbogige Zockerjacke samt nachher erneut umgehängtem Fanschal elegant losgeworden. Und schade, daß die freundliche Papageienformation vom Ruhrschnellweg so grauenvoll zugebrüllt wird von ihrem Anheizer auf dem Rasen, von einer der übelsten Klubhymnen seit Erfindung des Notenschlüssels und von einem Stadionsprecher, dessen peinliche Ausspracheversuche fremder Spielernamen zu größter Heiterkeit in gegnerischen Besucherohren geführt haben. Bernd Müllender

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