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Streit mit beschränkter Verantwortung

■ Der Konflikt um die Zukunft des Jungen Theaters und die DarstellerInnen: Ensemble kritisiert zuständige Referentin, sie kontert und die Senatorin schützt „ihre Person“

Der Streit um die Zukunft des Jungen Theaters hat immer mehr den Charakter einer persönlichen Auseinandersetzung. In scharfer Form hat der Sprecher des Theaters, Carsten Werner, die Theaterreferentin in der Kulturbehörde, Ursula Siefken-Schulte, für den Konflikt verantwortlich gemacht: „Sie bringt Zahlen aus dem Wirtschaftsplan und echte Einnahmen durcheinander. Außerdem hat sie uns erklärt, daß es noch vollkommen unsicher ist, ob wir im nächsten Jahr überhaupt einen Zuschuß erhalten“, sagte Werner und ergänzte: „Wir sind das einzige Theater, das noch mit ihr verhandeln muß.“Siefken-Schulte wies diese Kritik auf Anfrage zurück.

Hintergrund des Konflikts ist eine Verschuldung des Jungen Theaters, die nach übereinstimmenden Schätzungen der Kulturbehörde und des Theaters am Ende des Jahres rund 120.000 Mark betragen wird. Bereits im November haben Behörde und Kulturdeputation das Junge Theater aufgefordert, für 1998 einen Spielplan mit eingeschränkter Programmstruktur vorzulegen. Das Ressort erklärte sich nicht bereit, die Schulden zu übernehmen, und erwartete, daß das Theater diesen Betrag mit Hilfe des um 50.000 auf 200.000 Mark erhöhten Zuschusses abtragen soll.

„Wir fordern keine Schuldenübernahme“, sagt Carsten Werner. „Wir wollen eine Diskussion unserer Perspektiven, aber dafür brauchen wir einen echten Partner in der Behörde.“In Sachen Perspektiven hat Werner klare Vorstellungen: Dazu zählt die Umwandlung des Theaters in einen Betrieb mit einem festen, neunköpfigen Ensemble, das höhere „Gagen“als die bisherigen 650-Mark SchauspielerInnen-Honorare erhalten soll.

Zur Finanzierung dieses Modells will das Junge Theater die Aufwendungen für Mieten reduzieren. Carsten Werner und Co spekulieren auf einen Umzug ins Fundamt oder auf das TÜV-Gelände in Hastedt. FörderInnen des Theaters hätten als dritte Möglichkeit den Ankauf der jetzigen Spielstätte in der Friesenstraße ins Gespräch gebracht. Außerdem plant das Ensemble erhebliche Veränderungen im Spielplan: Eine – so weit überhaupt planbar – publikumswirksame Inszenierung ähnlich dem „Black Rider“ist genauso vorgesehen wie ein Stück in der Vorweihnachtszeit. Die Zahl von Inszenierungen, die nicht in die Rubrik Unterhaltungstheater fallen, will das Ensemble nach Werners Angaben auf drei reduzieren. All dies sei im Wirtschaftsplan enthalten, der der Kulturbehörde Anfang Dezember vorgelegt wurde.

Ursula Siefken-Schulte bestätigte den Eingang dieses Plans. Sie habe ihn „umgehend“geprüft und der Behördenleitung – sprich: Kultursenatorin Bringfriede Kahrs (SPD) – zur Entscheidung vorgelegt. Siefken-Schultes Urteil ist skeptisch bis ablehnend: „Einen Umzug kann man doch nicht von heute auf morgen realisieren“, sagte sie, doch der sei schon im Plan für 1998 eingerechnet. Und: „Einnahmesteigerungen von 10 bis 20 Prozent können ja noch möglich sein, aber das Theater rechnet mit 50 Prozent mehr.“„Stimmt nicht“, kontert Carsten Werner: Es stünden 250.000 Mark Eigeneinnahmen im Plan, und das sei genau der Betrag, „den wir 1997 erwarten“.

Siefken-Schulte indes kritisiert, daß das Theater nicht bereit sei, die kritischen Finanzfragen zu beantworten. Die Senatorin müsse nun entscheiden, ob sie dem erhöhten Wirtschaftsplan zustimmt oder ob das Theater geschlossen werde.

Die Auseinandersetzung schlägt sich unterdessen in einem Austausch von Pressemitteilungen nieder. In der vergangenen Woche hatte das Ensemble sowohl das Kulturressort als auch die Senatorin beschuldigt, dem Haus keine Bestandsgarantie zu geben und die „letzten Überreste einer Freien Theaterszene in Bremen“zu gefährden. In einer Replik gab Kahrs diese Garantie indirekt und wies ausdrücklich nur die „an ihre Person gerichteten Vorwürfe“zurück.

Unter den ungeklärten Bedingungen ist der Betrieb des Jungen Theaters durch Gastspiele nur noch bis zum 20. Januar gesichert. ck

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