: Gib mir die Traumkugel
Schinken, Wein und Süßes sind ja ganz nett, doch schöner ist Selbstgebasteltes: Geschenke sollten von Herzen kommen, meint ■ Heike Haarhoff
Nichts gegen eingeschweißte Schinken und die Leberpastete einer bekannten Feinkostfirma. Danke auch für den pikanten Roten und die trockene Riesling-Spätlese. Oder für das tönerne Stiefelchen, prall gefüllt mit Bonbons und stanniolpapierverpackten Eierlikör-Schoko-Tönnchen, die mein Büro für kurze Zeit zu dem beliebtesten im Hause machten. Die kleinen Aufmerksamkeiten, mit denen Firmen, Behörden und die lokale Wirtschaft uns alle Jahre wieder in vorweihnachtliche Stimmung versetzen wollen, sind ohne Zweifel gut gemeint.
Doch kommen sie auch von Herzen? Die Handelskammer beispielsweise überreichte einen raffinierten „lens-pen“, zu deutsch Linsenstift bzw. -reiniger, also so eine Art Kuli, an dessen Ende sich ein Pinsel befindet, mit dem sich Brillengläser oder Fotoapparate blank wienern lassen. Leider ging das kuriose Ding nicht an mich, sondern an meine Kollegin. Die aber hat, im Gegensatz zu mir, weder Brille noch Kamera.
Aber ich kann durchaus mithalten im Wettlauf um das kreativste Redaktionsgeschenk. Der Stadtreinigung sei Dank! „Mehrere Wochenenden“, betont ihr Pressesprecher Andree Möller, habe er „ohne Freizeitausgleich“der Weihnachtsbastelei geopfert. Denn in Zeiten knapper Kassen kann auch die Müllabfuhr nicht einfach so die eingenommenen Abfall-Gebühren für Pressegeschenke verfeuern. Also machte sich Möller ins Bastelgeschäft auf; Selbstgemachtes ist schließlich günstiger und immer noch das persönlichste Geschenk.
Herausgekommen ist – etwas schier Überwältigendes! Eine durchsichtige Traumkugel aus Plastik, mit der man Briefe beschweren kann, eine Zierde für jedes Bücherbord, und in der es, wenn ich sie auf den Kopf stelle, schneit, als wären wir in den französischen Alpen. Doch der Schnee fällt nicht auf Berggipfel, sondern, viel besser, auf einen knatschgelben Hamburger Schneeschiebe-Laster – pardon, „einen Original-Unimog, Mensch Heike“, belehrt mich mein Kollege. „Aktuelle Informationen zum Winterdienst? Die Stadtreinigung Hamburg informiert Sie rund um die Uhr: 0172-4117469“, steht auf der Kugel-Unterseite. Ich quietsche vor Glück. Keine Frage – die Stadtreinigung hat in diesem Jahr den taz-internen Wettbewerb um das kreativste Geschenk gewonnen.
Wie aber geht so was? Ganz einfach, sagt Kugel-Erfinder Andree Möller. Im Bastelladen gibt's die Traumkugeln für 10 bis 12 Mark das Stück. Den Unimog, das Schiff, das Gummitier – oder was immer man in die Kugel packen möchte – auf der Bodenplatte mit Plastikkleber festpappen (mindestens eine Stunde trocknen lassen). Die Kugel so umdrehen, daß ihre Öffnung nach oben zeigt. Jetzt einen Tropfen Spüli einfüllen, ein spezielles Konservierungsmittel (Bastelladen), einen halben Teelöffel Schnee oder, je nach Geschmack, bunt glitzernde Metallfäden sowie destilliertes Wasser, damit sich keine Algen bilden.. Dann den Rand der Bodenplatte dünn mit Kleber bestreichen. Platte auf Kugel setzen, mindestens drei Stunden auf den Kopf gestellt aushärten lassen. Anschließend die Kugel durch das kleine Loch in der Mitte der Bodenplatte mit destilliertem Wasser auffüllen. Stopfen drauf, fertig.
„Man kann übrigens Herzen regnen lassen“, plaudert Andree Möller über seine neueste Kugel-Kreation „Flammende Herzen auf eisigem Grund“, mit der er den engeren Bekanntenkreis beglücken wird. Ich für meinen Teil dagegen werde die Traumkugel „Hamburger Schmuddelwetter“– Bindfadenregen vor backsteinrotem Haus – verschenken: Als Antwort auf die immer wiederkehrende Frage meiner geschätzten rheinischen Familie: „...und sonst, Kind? Das Wetter?“
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