■ QUERBILD: Lolita
Der Regisseur Adrian Lyne, der bis jetzt für schwüles bis schwachsinniges Erotik-Entertainment zuständig war, hat noch einmal Vladimir Nabokovs Pädophilie-Roman Lolita verfilmt. Ohweia, das muß man sich mal vorstellen! Stanley Kubrick hatte immerhin schon vor gut drei Jahrzehnten eine allgemein geschätzte Adaption des Werks vorgelegt, und die Hauptrolle spielt jetzt ausgerechnet der manisch schöngeistige Jeremy Irons, der wirklich noch jede ausgewachsene Sauerei als kulturelle Dienstleistung goutierbar macht, und das Ganze wird dann auch noch am am Ende eines Jahres herausgebracht, das voll in Beschlag genommen wurde von den Nachwehen der belgischen Kinderschänder-Prozesse.
Während die gehobene Journaille also schon mal eine Doppelseite für die obligatorische Debatte freiräumen darf – über Literaturverfilmungen im allgemeinen und die Darstellung von gesellschaftlich sanktioniertem abnormen Sexualverhalten im besonderen – darf der Medien-Pöbel unten auf dem Boulevard die „ungeheuerlich!“-Chöre proben. Das alles ändert nichts an der für Lyne bedauerlichen Tatsache, daß Kubricks radikal unterkühlte Verfilmung von Nabokovs ebenso radikal unterkühlten Roman nicht zu toppen ist.
Da hätte man der hoffnungsvollen Nachwuchsschauspielerin Dominique Swain wirklich einen anderen Einstieg ins ganz große Geschäft gewünscht, als auf den knochigen Knien von Irons rumrutschen zu müssen. Und die unverwüstliche Melanie Griffith, die ja über die Jahre immer mehr zur „Lolita-Mutter“Shelley Winters wird, hätte natürlich sowieso was besseres verdient. cbu
Start: 1. Januar 1998
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