: Einmal mehr wurde die S-Bahn zum Tatort
■ Diese Woche in Berlin: Zehn Skinheads attackieren einen Chinesen und verletzen ihn schwer. Zwar werden die Täter gefaßt, doch wie der Fall eines Ghanaers zeigt, der zweimal überfallen wurde, sind Ve
Berlin (taz) – Zum wiederholten Mal wurde in der Nacht zu Dienstag in einer Berliner S-Bahn ein Ausländer von Rechtsradikalen schwer verletzt. Nach Polizeiangaben hatten gegen 22.45 Uhr zehn Skinheads einen 38jährigen Chinesen in einem aus Oranienburg kommenden Zug angegriffen. Dabei habe einer der Angreifer den Fahrgast mit einer Stahlrute auf den Kopf geschlagen, andere hätten ihn geschlagen und getreten. Das Opfer wurde mit einem Schädelbasisbruch ins Krankenhaus gebracht, sei aber nicht lebensgefährlch verletzt worden.
Nach dem Überfall wechselten die Skinheads auf dem S-Bahnhof Schönholz den Zug und fuhren zurück in Richtung Brandenburger Umland. Da ein weiblicher Fahrgast auf dem Bahnhof das Aufsichtspersonal über den Überfall informierte, konnte die Polizei alle zehn Skinheads zwei Stationen weiter noch in der S-Bahn festnehmen. Zuvor hatten sie in dem zweiten Zug jedoch auch noch eine 15jährige wohnungslose Punkerin mißhandelt. Sie wurde leicht verletzt und mußte ambulant behandelt werden.
Die aus Berlin und Oranienburg stammenden Jugendlichen seien um die achtzehn Jahre alt. Aufgrund laufender Ermittlungen wollte die Polizei gestern keine Angaben darüber machen, ob ihr die Täter bereits einschlägig bekannt waren oder einer rechtsradikalen Organisation angehören.
In den vergangenen Jahren waren bereits häufiger Ausländer in Zügen der Berliner S-Bahn angegriffen worden. Gleich zweimal hatte es dabei den 28jährigen Ghanaer Martin Agyare getroffen. Das Ermittlungsverfahren wegen Körperverletzung und Volksverhetzung gegen fünf Jugendliche, die ihn am 22. November nach einem Fußballspiel von Hertha BSC Berlin in einem Zug angegriffen hatten, ist aber noch nicht abgeschlossen. Nach Auskunft der Potsdamer Staatsanwaltschaft haben die Hertha-Fans inzwischen zugegeben, den Ghanaer angespuckt und als „Bimbo“ beschimpft zu haben. Sie bestreiten jedoch, Agyare geschlagen und rechtsradikale Lieder gesungen zu haben. Der junge Schwarze jedenfalls mußte sich mit aufgeschlagenem Auge in ärztliche Behandlung begeben, und gab bei der Polizei zu Protokoll, als „Nigger“ angepöbelt worden zu sein. Nun kämpft er nach Aussagen seiner deutschen Gasteltern wieder mit Alpträumen, die er in den letzten Jahren zu überwinden gehofft hatte. Denn Agyare hatte bereits 1994 schwerverletzt einen Überfall von Rechtsradikalen in der S-Bahn überlebt. Er wurde mit Stichverletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, die Ärzte mußten einen Unterschenkel amputieren.
Die Äußerung des brandenburgischen Ministerpräsidenten Manfred Stolpe, wonach „Ausländer in Brandenburg nicht gefährlicher leben als in anderen deutschen Ländern“, fand Martin Agyare denn auch nicht allzu beruhigend, weshalb er am 22. November eine Gaspistole bei sich trug. Damit schoß er auf einen seiner Angreifer, den 17jährigen Enrico M., der dabei leicht im Gesicht verletzt wurde. Ob Agyare sich auf Notwehr berufen kann oder nicht, prüft derzeit ebenfalls die Potsdamer Staatsanwaltschaft. Denn nach Auffassung von Enricos Mutter ist in diesem Fall ihr Sohn das Opfer: Sie hatte umgehend Strafanzeige wegen Körperverletzung gegen Martin Agyare gestellt. ga/Andrea Böhm
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen