„Abbild der Gesellschaft“

■ Im taz-Interview: Hauke Trinks, Präsident der Technischen Universität Harburg, möchte auf seinem Campus eine private Hochschule für betuchte Ausländer errichten

taz: Herr Trinks, bis zu den Weihnachtsferien haben Hamburgs Studenten die Uni bestreikt, Politiker aller Couleur zeigten plötzlich Verständnis für die Bildungsmisere und schoben sich gegenseitig den Schwarzen Peter zu.

Hauke Trinks: Da wurde ein ganzes Stück Heuchelei gefahren von Seiten der Politik. Jede Universität ist doch ein Abbild der Gesellschaft. Und die hat es sich in den letzten Jahren angewöhnt zu jammern und zu klagen, statt Verantwortung zu übernehmen. Es geht doch darum, einen Geist an der Uni zu fördern, der vorwärtsgerichtet und verantwortungsbewußt ist, der nicht immer nur fordert. Den Studenten muß doch klar sein, daß es ein Privileg ist, Bildung auf Kosten des Steuerzahlers zu kriegen.

Sie wollen jetzt andere Wege gehen. Schon im Herbst nächsten Jahres (1999) soll auf dem Gelände der TU eine Privatuniversität mit dem klingenden Namen „Northern Institute of Technology“– kurz NIT – eröffnet werden. Angeboten werden soll dort eine englischsprachige Ausbildung für ausländische Studenten, die Sie – wie Sie schreiben – zu „exzellenten, global wirtschaftlich denkenden Ingenieuren und Führungskräften“machen wollen. Wird das eine Uni für Eliten?

Das wird eine Universität mit einem sehr, sehr hohen Leistungsanspruch. Elite ist in Deutschland etwas negativ behaftet. Wenn man darunter aber versteht, daß von den Lehrenden und den Lernenden hohe Leistungen verlangt werden, dann wird das eine elitäre Institution.

In Ihrem Konzept heißt es, bei der neuen Ausbildung „wird ein besonderes Profil mit deutschen Wertvorstellungen angestrebt“. Was soll das heißen? Wollen Sie etwa Kulturimperialismus betreiben?

Nein, vielleicht ist die Formulierung etwas mißverständlich. Es geht mir dabei um die deutsche Ausbildungsphilosophie, um das Humboldtsche Prinzip von Forschung und Lehre, von Persönlichkeitsformung. Diese Philosophie ist in den angelsächsischen Bildungssystemen nicht verankert. Da werden Fakten im Grunde genommen nur verschult gepaukt. Ich möchte hingegen die Humboldtsche Idee in das neue Konzept einfließen lassen. Das NIT soll also keine schlechte Kopie des angelsächsischen Modells werden, sondern dessen Vorteile mit den Vorteilen der deutschen Ausbildung verbinden. Das heißt, ich muß die Studierenden beizeiten aus dem Schülerstatus herausholen und sie in die Forschung, in die Laboratorien stecken. Sie sollen sich an Forschungs- und Entwicklungsvorhaben von Firmen beteiligen, die die Welt draußen interessieren.

Zugleich soll das Privatstudium aber auch verschulter sein, als an deutschen Unis üblich.

Ich kann doch die Wünsche der internationalen Welt an die Ausbildung nicht ignorieren. Wenn ich da mitmischen möchte, muß ich ein Bildungsprodukt anbieten, das der internationalen Klientel gefällt. Und das bedeutet eine gewisse Verschulung, ein englischsprachiges Studium und einen sehr klar definierter Studienablauf, der schon nach drei Jahren einen ersten Abschluß ermöglicht.

Das heißt, Bildung wird zur Ware, zum Exportartikel?

Zum Teil schon. Sehen Sie, in Deutschland hat man früher Gewinn pro Tonne gemacht, indem man Kupfer oder Stahl veredelte. Dann hat man gesagt, Gewinn pro Gramm, indem man Mikrochips baute und noch baut. Und wenn Sie diese Logik konsequent fortsetzen, dann stoßen Sie auf die Ausbildung. Die Bildung von Menschen ist doch ein sehr hohes Gut, und in Deutschland beherrschen wir eben die Technik, die es dafür braucht.

Bisher ist Bildung bei uns aber ein kostenloses Gut.

Ja. Und wir können sie natürlich weiterhin völlig frei der ganzen Welt zur Verfügung stellen. Doch das klappt ja nicht. Schauen Sie sich an, wie niedrig der Anteil ausländischer Studierender an den deutschen Hochschulen ist. Im übrigen bleibt doch die Frage, ob wir wirklich die ganze Welt umsonst mit exzellenter Bildung beglücken müssen. Kann man nicht auch hier sagen, natürlich müssen wir damit Geld verdienen? Die Amerikaner machen immerhin sieben bis acht Milliarden Dollars pro Jahr mit ihrem Bildungsmarkt. Das ist eine Industrie gigantischen Ausmaßes.

Finanziert werden soll die neue Uni in erster Linie von der Privatwirtschaft. 40.000 Mark soll ein Studienplatz pro Jahr kosten.

Ein Studienplatz an einer deutschen Hochschule kostet in der Chemie, in der Physik oder auch in den Ingenieurwissenschaften zwischen 28.000 Mark, wie bei uns an der TU, und 38.000 Mark, wie an der Hamburger Universität. Diese Kosten bringt das System auf. Wenn ich jetzt ausländischen Studenten Studienplätze anbiete, überrascht es doch nicht, wenn ich sage, mit den Kosten will ich nicht den deutschen Steuerzahler belasten, sondern diejenigen, die den Nutzen haben.

Die Studenten sollen also Studiengebühren bezahlen?

Geplant ist eine gemischte Finanzierung: Länder wie Indone-sien, aber auch lateinamerikanische Staaten sind sehr an einer Ausbildung in Deutschland interessiert. So manche Familie im Ausland kann es sich zudem leisten, das Studium im Ausland zu bezahlen. Darüber hinaus sollen aber auch 30 bis 40 Prozent der Studienplätze frei vergeben werden, also auf der Basis von Stipendien. Außerdem haben international tätige Industriekonzerne, zum Beispiel die Dasa, Siemens oder Hapag Lloyd ein großes Interesse daran, junge Leute aus anderen Ländern hier auszubilden. In diesem Fall zahlen diese Firmen die Kosten des Studiums.

Was springt denn, etwa für die Dasa, dabei heraus?

Zum einen kann sie ihre ausländischen Führungskräfte hier ausbilden. Zum anderen sind ausländische Absolventen in ihren Heimatländern doch Botschafter Deutschlands. Hat jemand fünf Jahre in Hamburg studiert und kehrt danach nach Indonesien zurück, dann hat er doch sein Leben lang ein positives Gefühl zu dieser Stadt. Langfristig zeigt das Wirkung. Das ist also letztlich ein Stück Standortpolitik, das ich mit solch einem Ausbildungsangebot betreiben will.

Und die Wirtschaft ist interessiert?

Ich hab schon sehr konkrete Zusagen von Firmenseite. An Geld mangelt es jedenfalls nicht.

Wie reagiert denn die Hamburger Politik auf diese Idee? Geld wollen Sie von ihr nicht. Andererseits ist in den Koalitionsvereinbarungen festgeschrieben: Mit Rot-Grün gibt es keine Studiengebühren.

Deshalb hat das NIT ja auch eine Mischfinanzierung. Bisher habe ich recht wohlwollende Signale von seiten der Politik erhalten. Es geht doch um eine positive Veränderung für den Standort Hamburg. Nicht darum, nur zu protestieren und Tumult zu machen.

Ist das NIT also die Uni der Zukunft?

Das sehe ich so. Ich denke die ganze Idee kann eine Pilotfunktion für die deutsche Hochschullandschaft haben. Ich will nicht gleich sagen, daß es die Modellhochschule per se wird, dazu ist sie zu speziell, zu homogen. Das NIT ist ein Element in der sich diversifizierenden Hochschullandschaft. Und zwar am internationalen Standort Hamburg. So was gehört nicht nach Stuttgart oder ins Emsland. Da werde ich glatt patriotisch. Hamburg hat doch Klang. Das ist doch die Stadt mit den weltweiten Optionen, mit ihren Kaufmannschaften. Wir müssen in die Zukunft blicken. Alle beklagen, daß hier Arbeitsplätze wegbrechen, in der Affi, in der Bavaria-Brauerei, bei den großen Werften. Also müssen wir neue Felder auftun. Eben ein Bildungsprodukt made in Germany.

Interview: Karin Flothmann