Das Portrait: Der Kloner von Chicago
■ Richard Seed
Vor wenigen Monaten war Richard Seed auf dem Tiefpunkt. Der einst in Harvard promovierte 69jährige Physiker wurde gemeinsam mit seiner Frau aus dem eigenen viktorianischen Landhaus in der Nähe von Chicago geworfen. Eine Hypothek von 330.000 Dollar konnte nicht mehr bezahlt werden. Seed wohnt und arbeitet seither zur Miete. Auf dem Chicago- Campus der University of Illinois hat er als selbständiger Wissenschaftler ein Labor gemietet, Mäuse als Versuchstiere kosten dort 35 Pfennig das Stück.
Dabei hat der Physiker in früheren Jahren in der Reproduktionsmedizin schon große Erfolge gefeiert. In den siebziger Jahren gründete Seed gemeinsam mit Tiermedizinern und Genetikern die Embryo Transplant Corporation. Die Firma entwickelte eine Methode zum Embryotransfer bei Kühen. Befruchtete Eier von Hochleistungsmilchkühen und Hochleistungsbullen ließ man von einfachen Rindviechern austragen. Die Methode wurde dann bei Menschen angewandt. Seeds Firma Fertiliy + Genetic Research war erfolgreich: „Mindestens drei gesunde Babys haben wir damals möglich gemacht“, rühmte er sich jetzt gegenüber der Chicago Tribune. Doch dann entwickelten andere Wissenschaftler effizientere Methoden, die Firma ging Bankrott.
Aus dieser Zeit eilt Seed der Ruf eines brillanten Wissenschaftlers voraus. Der 1,90 Meter-Mann ist überzeugt: „Das Klonen von Menschen ist ohnehin nicht zu stoppen. Wenn erst einmal ein halbes Dutzend glücklicher, gesunder Klonbabies auf dem Fernsehschirm strahlen und ein Dutzend glücklicher Eltern dabeistehen, werden die Leute die Technik enthusiatisch feiern.“ Und über sich selbst: „Ich kann es gar nicht erwarten, zwei oder drei Klone von mir selbst zu erzeugen.“ Dabei bezeichnet er sich selbst als „Frontman“ einer Gruppe von Medizinern. Die wollten aber lieber anonym bleiben.
Ethischen Einwänden begegnet der Forscher mit dem Verweis auf den Pastor. Seed ist Methodist und will seinen Priester in der Frage des Klonen konsultiert haben. Für Seed ist das Klonen sogar Teil des göttlichen Auftrags. „Gott hat uns den Auftrag gegeben, ihm gleich zu werden. Das Klonen ist ein Schritt dahin.“ Dem sendungsbewußten Senior mit dem Prophetenbärtchen fehlt nur noch das Geld. Hermann-Josef Tenhagen
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