Village Voice: Der Mix ändert sich noch
■ Als Project Forty-Five wagen Wohnung mit „Thats Cash“ erstmals eine endgültige Erscheinungsform
Nach nun auch schon fast zwei Jahren ihrer Existenz und mindestens drei Dutzend verschiedener Versionen des bis heute noch nicht erschienenen Debüt- Albums „Cola“ hat es nun immerhin eine Splittergruppe von Wohnung gewagt, ein erstes endgültiges Kapitel der Geschichte der möglicherweise nächsten großartigen Kapelle aus Berlin der CD-Presse zu überantworten.
Die allerendgültige Version von „Thats Cash“ vom „Project Forty-Five, a division of Wohnung“ steht allerdings auch erst am morgigen Erscheinungstag fest. Wenn überhaupt, dann ist die einzige Konstanz, die Wohnung zu bieten haben, die beständige Weigerung, sich festlegen zu lassen, sei sie nun chaotischen Arbeitsstrukturen oder programmatischen Überlegungen geschuldet. So ist auch diese Besprechung eigentlich eine vorläufige, denn der Mix, der mir vorlag, könnte „sich noch leicht ändern“.
Das prinzipiell offene Konzept Wohnung, das mit und durch die Wohnungs-Bar-Szene entstand, wurde für das Project Forty-Five zum einen verkleinert, indem von den eigentlich fünf Wohnung-Mitgliedern an dieser Produktion hauptsächlich Sänger und Gitarrist Tim Nowacki und Bassist Fels und der Computer beteiligt waren. Zum anderen wurde es erweitert, weil bei einigen Songs Teile der befreundeten Bands Mina und Contriva mitgetan haben.
Musikalisch wird als Project Forty-Five vorangetrieben und weiter erweitert, was an Diversifizierungsmöglichkeiten bereits vorhanden war. Zumindest zwei der siebzehn Songs, „No Underground“ und „Number One“, gab es auch schon in diversen Wohnung-Erscheinungsformen. Wenn man die verschiedenen Versionen vergleicht, lassen sich zwar gewisse Unterschiede feststellen, doch ist es nicht zu klären, wo denn nun genau eine Weiterentwicklung stattfindet oder ob so etwas wie Weiterentwicklung überhaupt auf dem Plan steht. Das Offene, Unfertige, Suchende, das ist das Grundprinzip.
Da werden Drum & Bass- Rhythmen mit einer Lou-Reed- Stimme kombiniert, TripHop- Gefühligkeit und Singer-Songwriter-Lässigkeit verquickt oder Easy-Listening-Geklimper mit Jazz-Bass und Meeresrauschen versöhnt. Der Sampler macht alles möglich, Wohnung nutzen vieles davon. Sie sind ebenso in der Lage, den urbanen Drang zum coolen Tröpfeln zu bedienen, wie die berühmten elektronischen Texturen innovativ übereinanderzuhäufeln oder ein kleines luftiges Besinnungsliedchen abzuliefern.
Was zwischen Tanzboden und LowFi-Rock machbar ist, wird hier zu einem guten Teil tatsächlich doch zu Ende gedacht, und das auch noch auf außerordentlich hohem Niveau. Diese Unausgeglichenheit dürfte, wenn man irgendwann vielleicht dann doch viele Platten verkaufen will, zum Problem werden, könnte andererseits aber vielleicht gerade, als Strategie getarnt, zum Erfolg führen.
Den bei ihnen unvermeidlichen Theorieentwurf gibt es natürlich auch zu dieser Platte. Der Titel „Thats Cash“ sei programmatisch zu verstehen, die Songs heißen in fröhlicher Schlagwort- Seligkeit „Money“, „Politics“ oder eben „No Underground“, und so haben sie dann auch ihr Label für den Selbstverlag getauft.
Man sollte die ideologischen Anstrengungen zwar ernst, aber nicht allzu wörtlich nehmen, denn so, wie sich diese ziemlich grandiose Platte schlußendlich dann doch noch ein wenig anders anhören könnte, so werden auch das Wollen, Sollen und Können von Wohnung sicherlich noch einigen Veränderungen unterworfen. Thomas Winkler
Project Forty-Five, a Division of Wohnung Project: „Thats Cash“ (No Underground Records, Bötzowstr. 18, 10407 Berlin, Tel. 4236944)
Eine Record Release Party findet am 10.1. ab 21 Uhr in der Simon-Dach-Str. 11 statt, und zwar anläßlich der Eröffnung des neuen Clubs von Karel Duba, der auch für die Gestaltung des Covers von „Thats Cash“ verantwortlich ist.
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