: Verstecktes Abzocken?
■ Häusliche Krankenpflege: Pflegedienste kritisieren Sparpolitik der Ersatzkassen
Die Ersatzkassen wollen offenbar den Pflegediensten das Wasser abgraben. „Die häusliche Krankenpflege soll langfristig aus dem Leistungskatalog verschwinden“, befürchtet Andreas Meyer von der Hamburgischen Pflegegesellschaft e.V. Betroffen sind in Hamburg etwa 5000 Versicherte – vor allem alte Menschen sowie chronisch und psychisch Kranke.
Wenn diese Patienten es nicht mehr schaffen, regelmäßig selbständig ihre Medikamente zu nehmen, Verbände zu wechseln oder an die Insulinspritze zu denken, verordnet der Hausarzt „häusliche Krankenpflege“, um einen (teuren) Klinikaufenthalt zu vermeiden. Die Pflegedienste rechnen dann mit den Kassen ab. Die Ersatzkassen wollen den Pflegebetrieben zum 1. Februar 1998 einen neuen Vertrag aufzwingen, der die Mehrzahl der behandlungspflegerischen Leistungen ausschließt.
Pflegebedürftige sollen demnach zukünftig nur noch dann krankenpflegerisch versorgt werden, wenn sie die Leistungen aus eigener Tasche bezahlen können oder zum Sozialamt gehen. „Spätestens nach sechs Wochen erfolgt der Griff ins Portemonnaie der Betroffenen“, kritisiert Peer Gent vom Zentralverband Hamburger Pflegedienste e.V., „das ist eine versteckte Form weiterer Zuzahlungen im Gesundheitsbereich.“Die Verbände werden den Vertrag nicht unterschreiben und erwägen eine Feststellungsklage über seine Wirksamkeit vor Inkrafttreten einer bundeseinheitlichen Regelung.
Der Verband der Angestellten Krankenkassen (VdAK) weist den Vorwurf, der Vertrag sei nicht unterschriftsreif, zurück. Vielmehr sei der Inhalt „angemessen und ortsüblich“, so der Verhandlungsführer Günter Steffen, „mehr ist ohnehin nicht drin“. Auch VdAK-Leiter Klaus Gollert appelliert an die Pflegedienste, „den zähen Kampf um die Beibehaltung überhöhter Preise aufzugeben“.
In Hamburg gibt es rund 430 Pflegebetriebe mit rund 10.000 examinierten und ungelernten Mitarbeitern, darunter viele alleinerziehende Teilzeitkräfte. Anja Schzemisch, Chefin eines Pflegedienstes, befürchtet, daß aufgrund der Neuregelung auch Beschäftigte entlassen werden müssen. „Das kann bei der hohen Arbeitslosigkeit in der Stadt nicht der richtige Weg sein“, so Schzemisch. Lisa Schönemann
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