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Briefkasten zunageln!

Von November bis Februar nehmen empfindliche Gemüter gern ihre Auszeit: Drei goldenen Regeln gegen Winterdepression  ■ Von Lisa Schönemann

Das ewige Gemaule kann einem schon mächtig auf die Nerven gehen: Der Winter, die dunkle Jahreszeit, geht angeblich allen aufs Gemüt. Es spielt keine Rolle, ob schillernde Eisblumen die Fenster besiedeln oder nur der Dauerregen hinten in den Kragen nieselt: Von November bis Februar nehmen empfindliche Gemüter gern ihre Auszeit.

Egal, ob meßbare Minustemperaturen herrschen oder nur die empfundene innere Kälte, der Winter muß als Erklärung für jegliche schlechte Laune herhalten. Dabei ist es nicht schwer, der Winterdepression aus dem Weg zu gehen. Nur einige wenige goldene Regeln sind zu berücksichtigen, und als erstes gilt: Briefkasten zunageln!

Jedenfalls für Postkarten aus dem Ausland. Wen interessiert denn jetzt, daß die beiden aus dem zweiten Stock sich für ein Vielfaches ihres Monatsgehalts nach Afrika abgesetzt haben und erst Ende Februar zurückkommen werden? Daß sie sich spätestens beim Paddeln auf dem Sambesi in die Haare bekommen würden, war ohnehin klar. Auch bevor die Krokodile auftauchten und die zwei den Tierchen geschickt ausweichen wollten. Also lautet Regel Nummer eins: Nachrichten von Freunden, die in wärmere Gefilde geflohen sind und auf ihren Ansichtskarten blühende Landschaften und Leiber sowie eisgekühlte Getränke preisen, sollten geflissentlich ignoriert werden, solange man selbst im Norden der Republik festsitzt.

Regel Nummer zwei betrifft den besonders in den Mitgliederzeitschriften der Krankenkassen gelobten Saunagang. Was der Erkältungsprophylaxe vielleicht dienlich ist, kann geradewegs zum Auslöser einer handfesten Winterdepression werden. Der unverstellte Blick auf bläßliche Mitmitteleuropäer und die eigenen zerknautschten Schwimmringe, die sich seit den Festtagen in der Hüftgegend festgesetzt haben, ist Gift für sensible Seelen.

Regel Nummer drei bezieht sich auf die Insidertips der Gesundheitsapostel. Pilze, Spinat und Sojabohnen sollen ja reine Glücksbringer sein. Im Selbstversuch hinterlassen die vermeintlichen Geheimwaffen gegen Melancholie – Johanniskraut, Zink und verschiedene Körner – nur überflüssige Löcher in der Einkaufskasse. Schon der Besuch eines einzigen Reformhauses birgt dagegen die Gefahr, sich um zehn Jahre gealtert zu fühlen.

Was wirklich hilft, ist Licht. Zwar bereitet es einige Mühe, Schokoladenvorräte samt Lieblingssessel aufs Dach oder auf den Balkon zu schleppen. Aber die Mühe lohnt sich – für Anfänger auch mit einem an ein Verlängerungskabel angeschlossenen Heizlüfter.

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