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Ein Gralsbote im Klassenzimmer

■ Der traurigste von allen: Peter Konwitschny inszeniert Wagners „Lohengrin“in der Oper

Richard Wagners, wie er selbst befand, „allertraurigster“Stoff feierte am Sonntag Premiere an der Staatsoper. Traurig, weil in ihm die Unmöglichkeit Musik wird, den Himmel auf Erden zu leben, das Blaue, das Thomas Mann in der Musik des Lohengrin überall schimmern hörte, glaubhaft herunterzulügen vom Firmament einer schwelgenden Künstlerseele ins platte Bewußtsein des Alltags.

Regisseur Peter Konwitschny hat sich dagegen entschieden, die Geschichte des quasigöttlichen Gralsboten Lohengrin, der eine Irdische freit, in den vertrauten Bildern von Rittern und Mannen, hohen Frauen und weißen Schwänen zu erzählen. Zum erwartungsgemäßen Unmut einer nicht kleinen Schar von Buhrufern verlegte er das Geschehen ins fliegende Klassenzimmer, aufgeführt von einer munteren Kinderschar. Ein Konzept, das, wie sich zeigte, Möglichkeiten bot zu reicher choreographischer und bühnenbildnerischer Pointierung. Sinnigerweise spielt die Schülervorstellung in der wilhelminischen Zeit, die besonders anfällig war für Wagners – freilich jungdeutsch gemeinten – Mummenschanz. „Was deutsches Land heißt, stelle Kampfesscharen, dann schmäht wohl niemand mehr das deutsche Reich!“– solches Vokabular ist heute gottseidank nicht mehr ernsthaft über die Rampe zu bringen.

Dabei wurde in Konwitschnys Spaß wie in jedem Kinderspiel an wohlüberlegter Stelle tatsächlich zugeschlagen. Und zwar nicht nur mit Holzschwertern, sondern mit Worten. Theaterechtes Blut und Tränen flossen. Das Bühnenspiel blieb dergestalt in der Schwebe zwischen Schülerjux und Operntragik.

Den eigentlichen Konflikten und Gegenständen der Handlung schuf das Aufmerksamkeit und Raum, was die von Ingo Metzmacher höchst einfühlsam und mehr kammermusikalisch als bombastisch fakturierte Musik nutzte und ausdeutete. Vom ätherisch-schönen Vorspiel bis zur Hochzeitsmusik und Gralserzählung spannte sich so der musikalische Bogen eines Scheiterns. „Die Utopie oder das Ganz Andere“, wie das Programmheft Wagners säkularisierten Himmelstraum von der Vergesellschaftung des warmen Stroms der Menschenliebe nennt, kann nicht siegen über irdische Träume von Macht und Herrschaft.

Wobei letztere allerdings in Ortrud und Telramund von Wagner musikalisch verwirrend-interessant ausgestattet sind. Und mit Eva Marton und Hans-Joachim Ketelsen in Hamburg sehr adäquat besetzt. Gleiches gilt für Thomas Mosers, leider nur stimmlich schlanken, Lohengrin und für Inga Nielsens kindhaft-kleine, stimmlich bisweilen erstaunlich große Elsa.

Ungeteilter Beifall für Staatsopernorchester und Chor. Buhs und Bravos für einen Regisseur, dessen Mut und Witz allein Lob verdient hat. Stefan Siegert

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