: „Den Bürger müssen wir mit dem Staat schützen“
■ Jörg van Essen, parlamentarischer Geschäftsführer der FDP-Fraktion, fordert eine Gen-Datenbank, um Sexualverbrecher leichter überführen zu können. Vorbilder sind Niederlande und Großbritannien
taz: Sie haben eine Gen-Datei für Sexual- und Gewaltstraftäter gefordert. So eine Forderung hätte man eher von der CSU erwartet.
Jörg van Essen: Warum? Die FDP ist eine Bürgerrechtspartei, und dazu gehört auch der Schutz der Bürger vor Kriminalität. Manchmal muß man den Bürger eben mit dem Staat schützen, nicht immer nur vor dem Staat. Außerdem hilft eine solche Datei auch Verdächtigen bei der Entlastung gegen falsche Beschuldigungen, und da sind wir dann wieder bei den Bürgerrechten.
Mit dieser Argumentation wäre es ja am besten, die gesamte Bevölkerung in der Gen-Datenbank zu speichern. Warum sollen nur Straftäter die Möglichkeit haben, sich gegen einen falschen Verdacht zu wehren?
Ich bitte Sie, so ein Vorschlag könnte vielleicht aus München kommen, aber nicht von uns. Für eine Speicherung des genetischen Fingerabdrucks muß schon ein konkreter Anlaß bestehen. Sonst würden wir wohl auch Ärger mit dem Bundesverfassungsgericht bekommen.
Worin würde dieser Anlaß bestehen? Wollen Sie nur rechtskräftig verurteilte Täter erfassen oder auch Verdächtige, die später aus Mangel an Beweisen freigesprochen werden?
Ich möchte die Hürde hoch legen und die Datei auf die rechtskräftig Verurteilten beschränken.
Könnte eine solche Datei auch für präventive Zwecke benutzt werden, etwa daß Kindergärten bei der Gen-Datei anfragen können, ob ein Stellenbewerber dort erfaßt ist?
Das halte ich für problematisch. Aber natürlich muß man immer abwägen. Wenn es um eine konkrete Gefährdung des Lebens geht, muß das Recht auf informationelle Selbstbestimmung auch mal zurücktreten. Eine rein hypothetische Gefahr kann dabei aber nicht ausreichen.
Sollen alle genetischen Informationen eines Menschen gespeichert werden?
Nein, nur das, was für die Identitätsfeststellung erforderlich ist, der Strichcode nach der Ausführung eines genetischen Fingerabdrucks. Dort wird ja nur der Teil der DNA untersucht, der keine Erbinformationen enthält.
Was machbar ist, wird gemacht.
Andere Staaten wie Großbritanien und die Niederlande haben Gen-Datenbanken, wie ich sie fordere. Dort ist das auch nicht ausgeufert. Interview: Christian Rath
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