: Das mysteriöse Sterben des Kurt G.
Santa Fu: Trug ärztliches Versagen zum Tod eines Häftlings bei? Die Obduktion ergab innere Verletzungen als mögliche Todesursache ■ Von Elke Spanner
Schnell war sich die Anstaltsleitung sicher: Kurt G. ist eines natürlichen Todes gestorben. Als der Strafgefangene Weihnachten in seiner Zelle in Santa Fu tot aufgefunden wurde, habe es keinerlei Hinweise darauf gegeben, daß Fremdverschulden im Spiel gewesen sein könnte. Doch es gab Indizien – und zwar schon vor seinem Tod. Erst wenige Stunden vorher war Kurt G. nämlich bei der Anstaltsärztin gewesen, wie ein Santa Fu-Insasse der taz nun berichtete. Dort habe er über Bauchschmerzen geklagt.
Bei der Obduktion des Leichnams entdeckten die GerichtsmedizinerInnen nicht nur Hämatome am ganzen Körper, welche der Ärztin offenbar nicht aufgefallen waren, sondern zudem einen Milzriß – was nicht nur der Grund für die Bauchschmerzen, sondern auch die Todesursache gewesen sein könnte.
Behandelt hat die Anstaltsärztin Kurt G. offenbar nicht. „Es laufen noch weitere gerichtsmedizinische Untersuchungen“, beschwichtigt die Sprecherin der Justizbehörde, Annette Pflaum. Zur Zeit sei lediglich „nicht auszuschließen, daß es keine natürliche Todesursache war“.
Innerhalb der Anstalt scheint man davon ohnehin schon auszugehen. „Die nichtärztliche Versorgung in der Anstalt ist ja bekannt“, sagt Jens Stuhlmann, Gefangenensprecher. Und ein regelmäßiger Besucher in Santa Fu, der viele Kontakte zu Gefangenen hält, sagt: „Es sieht offensichtlich so aus, als hätte der Arzt oder die Ärztin die Sorgfaltspflichten verletzt“. Stuhlmann weiß zudem, daß seit nunmehr zwei Wochen ein Insasse auf der sogenannten Sicherungsstation untergebracht sei, mit dem Kurt G. offenbar eine körperliche Auseinandersetzung hatte. Pflaum wollte das weder bestätigen noch dementieren: „Die Ermittlungen laufen noch.“
Die Mutter des Verstorbenen hat Strafanzeige gestellt, damit die Todesumstände ihres Sohnes aufgeklärt werden. Die Anstalt hatte es im übrigen nicht einmal für nötig befunden, sie über den Tod ihres Sohnes zu unterrichten. Das übernahm der Mitgefangene Stuhlmann, als sie nichtsahnend zum Knastbesuch kam.
Kurt G., ein ehemaliger Schiffskoch, saß in Santa Fu wegen Ladendiebstahls ein. Über 20 Jahre nahm er Heroin und finanzierte sich seinen Drogenkonsum über Beschaffungskriminalität. In Santa Fu war er im Methadonprogramm. In rund eineinhalb Jahren wäre er entlassen worden. Konkrete Pläne für die Zeit in Freiheit hatte er noch nicht, denn „darauf vorbereitet wird man in der Anstalt nicht. Wenn der Tag gekommen ist, steht man einfach so vor der Tür“. Das sagte er vergangenen Sommer bei einem Gespräch mit der taz. „Ich habe Angst, daß ich draußen nur rumsitze und mir die Decke auf den Kopf fällt. Ich muß mir unbedingt eine Betätigung suchen.“Trotz der Bedenken fieberte er dem Tag seiner Entlassung entgegen. „Wenn ich rauskomme, will ich noch mal leben. Richtig leben.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen