: Die "eindringliche Bitte" aus Rom an die katholischen Bischöfe in Deutschland, für die Schwangerenberatung künftig keine Scheine mehr auszustellen, hat Wirkung gezeigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, verteidi
Die „eindringliche Bitte“ aus Rom an die katholischen Bischöfe in Deutschland, für die Schwangerenberatung künftig keine Scheine mehr auszustellen, hat Wirkung gezeigt. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Karl Lehmann, verteidigte gestern in Mainz die Position des Papstes nur halbherzig. Und reichte die Verantwortung an die Politik weiter.
Die „verehrten Brüder“ gehorchen aufs Wort
Der Bischof kicherte auch gestern morgen noch so aufgedreht, als hätte er die Nacht über nicht geschlafen. Vom Vorabend sichtlich beflügelt, eilte Karl Lehmann bester Laune und sieben Minuten vor der Zeit in das Studio D des Südwestfunks in Mainz zur Pressekonferenz. Im dunklen Saal unter Scheinwerfern wirkte der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz dann mit fortschreitender Zeit immer angespannter. Ein fast faustischer Gottesmann, in dessen Brust – sichtbar für alle – zwei Seelen miteinander rangen.
Während die eine sich noch freute, daß die Bischofskonferenz nach nur zwei Tagen Klausur zur Praxis der Schwangerenberatung am Montag abend zu einem einstimmigen Ergebnis gekommen war, gewann schon die andere die Oberhand, die den Beschluß der katholischen Oberhirten in der Zukunft wird umsetzen müssen. Und die war höchstens zweckoptimistisch.
Das machte die Stimme Lehmanns, der in der Vergangenheit immer wieder laut für die katholischen Familienberatungsstellen gestritten hatte, brüchig und leise. Den mit zittriger Hand unterschriebenen Brief von „Johannes Paulus II.“ vom 11. Januar, dem Tage des „Festes der Taufe des Herrn“, an die „verehrten Brüder im Bischofsamt in Deutschland“ interpretierte Lehmann als einen Befehl. Der „eindringlichen Bitte“ aus Rom, keine Scheine mehr für die Schwangerenberatung ausstellen zu lassen, könne er sich nicht entziehen, sondern müsse sie „sehr ernst nehmen“. Der verbindliche Ton des Schreibens mache den Umgang miteinander zwar leichter, dürfe aber nicht über den „Grad der Aufforderung hinwegtäuschen“. Alles andere, so Lehmann, sei „sich was in die Weste lügen“.
Karl Lehmann machte keinen Hehl daraus, daß er auch nach zwei Jahren Diskussion mit dieser Entscheidung nicht einverstanden gewesen sei und gegen sie gekämpft habe: „Ich habe nicht kapituliert, ich habe bis zum Schluß durchgehalten.“ Die im Kloster Himmelpforten bei Würzburg einstimmig verabschiedete gemeinsame Erklärung der Bischöfe, hatte Lehmann vorher festgestellt, werde von ihm aber mitgetragen. „Sonst hätte ich meinen Rücktritt anbieten müssen.“
Die Erklärung, sagte Lehmann, beinhalte auch seine eigenen Bedenken gegen die bisherige Schwangerschaftskonfliktberatung. Auch er halte es für unvereinbar mit der katholischen Lehre, die alles Leben schützen müsse, daß der bei der Beratung ausgestellte Schein zur Abtreibung berechtige. Er verstehe die Haltung des Papstes gegen „Beratungen, die nur zum Schein diesen Namen tragen, Schein-Beratungen im doppelten Sinne des Wortes sind und das eigene Lebensrecht des ungeborenen Kindes mit Füßen treten“. Dies, verteidigte er den „Heiligen Vater“ dennoch fast halbherzig, „mag eigensinnig und querköpfig aussehen“, sei aber auch geeignet, eine öffentliche Diskussion auszulösen.
Auch Lehmann reichte die Verantwortung, wie schon die Deutsche Bischofskonferenz, an die Politik weiter. Die schloß sich in ihrer gemeinsamen Erklärung dem Papst an mit der Bitte „an die Politikerinnen und Politiker“, das Gesetz zum Schwangerschaftsabbruch gemäß der Vorgabe des Bundesverfassungsgerichtes von 1993 zu überprüfen, weil es das „geforderte Maß an Schutz“ für das ungeborene Leben nicht gewährleiste.
Im übrigen, so Lehmann, „wollen wir jetzt mal sehen“. Der Papst habe in seinem Brief schließlich keine Frist gesetzt. Eine Umwandlung der Beratung, die nicht nur fortbestehen, sondern intensiviert werden solle, brauche viel Zeit und genaue Überlegung. Deshalb werde eine Arbeitsgruppe eingesetzt, die nach Alternativen zum derzeitigen Beratungsschein suchen soll. Solange werde in alter Form weiterberaten. Über Geld sei nach Angaben Karl Lehmanns während der Bischofsklausur „überhaupt nicht gesprochen worden“. Wenn der Staat das Geld für die über 200 katholischen Beratungsstellen nun streichen wolle, müßten die Mittel eben aus eigener Kraft aufgebracht werden: „Auf keinen Fall wird irgendwo zurückgefahren.“
An Lehmanns hauseigener Basis vor dem wuchtigen Mainzer Sandsteindom regte sich gestern mittag kein Protest. Die Kirche war leer. Auf dem Wochenmarkt eher Desinteresse. „Paragraph 218“, staunte ein junger Mann, „was ist das denn?“
Einige alte Frauen fanden es schon richtig, „daß diese junge Dinger net einfach ihre Kinner wegmache lasse kenne“. Sie waren aus der Nachbardiözese Fulda zu Besuch. Dort residiert Bischof Johannes Dyba, fundamentalistischer Gegenspieler Lehmanns und zur Zeit auf Reisen in Afrika. Der habe ihm, hatte Lehmann am Montag abend angemerkt, bei der Bischofskonferenz nicht sehr gefehlt, zumal Dybas Position im Papstbrief ohnehin präsent sei. Heide Platen, Mainz
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