■ H.G. Hollein: Ausgemustert
Das Haus, in dem ich Miete zahle, hat Wände, die sich nicht weiten lassen. Deshalb müssen gelegentlich andere Dinge weichen. Biographische Altlasten in Buchform etwa. Ein entschlossener Streifzug entlang der Regale führt über das eigentliche Ziel des Raumgewinns hinaus allerdings schnell in das Labyrinth der eigenen, halbvergessenen Frühzeit. „Das Programm der Deutschen Kommunistischen Partei“vom Mannheimer Parteitag im Oktober 1978 noch weiter vergilben zu lassen, scheint 20 Jahre danach, angesichts der Perspektive einer rot-günen Republik, nur mehr als fundamental-nostalgischer Luxus. Kontextual ähnlich gelagert und vom Lebenslauf gleichermaßen überholt muten konsequenterweise Titel an wie „Linksopportunistische Sackgassen und Irrwege der Studentenbewegung“, „Wie führe ich eine alternative Firma“und – nun ja – „Die Schule der erfolgreichen Bewerbung“. Eine lange vollzogene Wende im Privaten läßt auch die didaktische Trias aus rororos „Kontakttraining“, Goldmanns „Psychologie der Partnerwahl“und Tomi Ungerers „Fornicon“leichten Herzens in die große Kiste wandern. Dann wäre da noch der politische Überbau. Die „nie auftrumpfende subtile stilistische Eleganz eines Politikers“, dessen „Weg nach oben“laut Klappentext noch nicht abgeschlossen ist, wird auch Helmut Schmidts anno 1970 verfaßte „Strategie des Gleichgewichts“nicht vor dem Schredder retten. Von bleibender Aktualität dagegen Hans Pilles „Die Bande O.N. – Markus wehrt sich gegen eine Jungenbande“. Und das bereits 1961. Sei's drum: Anderthalb freie Regalmeter sind jeden Trennungsschmerz wert. Andererseits: „Wann schreibt man groß, wann schreibt man klein?“wird man vielleicht noch ein paar Jahre brauchen können. Und Gerhard Stoltenbergs epische „Wendepunkte deutscher Politik“schon gleich nach Erscheinen zu entsorgen, mag zwar inhaltlich angebracht sein, aber man muß schließlich auch an die Zukunft denken und beizeiten eine Wegwerfreserve bilden.
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