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Knolle, Kruste, Knusperkram

Die Saison der Sieglinde naht: Wie eine festkochende zu einer schmackhaften gebratenen Kartoffel wird, weiß niemand besser als  ■ Achim Fischer

Sieglinde ist nicht da. Linda, Nicola und Renate schon. Aber Sieglinde, sagt Henning Cohrs gnadenlos, „ist sehr alt. Die verliert an Bedeutung“. Wenn nur mal Herr Cohrs nicht an Bedeutung verliert. Sieglinde, das sei dem jungen Mann mit auf den Weg gegeben, läutete in unsereiner Jugendzeit die Saison der Frühkartoffel und mithin die glorreiche Zeit der Kartoffelsalate (frei von Gurken, Zwiebeln, Mayo, versteht sich, statt dessen lauwarm mit ein wenig Brühe) und – weit wichtiger – der Bratkartoffeln ein.

Sieglinde ist nicht da auf der 48. Internationalen Kartoffel-Frühjahrsbörse im Hamburger Congress Centrum am Donnerstag, der Schmacht auf Bratkartoffeln mit einer jeglichen Ernährungsratschlägen widersprechenden Krustenstärke schon. Und so verbleibt Herrn Cohrs nur, andere Knollen anzupreisen: „Auf jeden Fall Salatkartoffeln“– so wie Sieglinde –, die nämlich sind „festkochend“, zermatschen also nicht in der Pfanne und wissen sich durch kräftigen und nicht-trockenen Geschmack von den „vorwiegend festkochenden“oder gar „mehligkochenden“Sorten abzugrenzen.

Im Supermarkt, fügt Cohrs noch hinzu, gibt es meist nur die vorwiegenden Sorten. Die bröselfesten Knollen dagegen sind eher auf den Wochenmärkten erhältlich – zudem meist direkt vom Bauern. Mehrfaches Transportieren, Umschlagen, womöglich in Plastik-Tüten-Verpacken wie bei den Supermarkt-Ketten entfällt – und damit Druckstellen, schwarze Flecken, gammelige Ware.

Fehlt nur noch die leckere Kruste: Kochen, Pellen, Schnibbeln, Braten – fertig ist der Matsch, trotz aller festen Vorsätze. Die Tricks beginnen beim Kaufen und gehen weiter beim Kochen. „Am schonendsten ist es, wenn man die Kartoffeln zuerst dämpft“, empfiehlt Erich Häusler, Küchenmeister der Hamburger Koch-Schule „Kreativ-Küche“. Der Dampf ist bis zu 180 Grad heiß, kochendes Wasser nur 100. Die Knollen werden schneller gegart, Vitamine und Mineralstoffe bleiben besser erhalten.

„20 bis 25 Minuten“dämpfen, empfiehlt der Meister. Bis der Messer-Test gelingt: Mit dem Messer in die Kartoffel stechen. Rutscht sie wieder ab, ist sie fertig gegart. Pellen. Danach, ganz wichtig, langsam auskühlen lassen. „Wenn sie warm sind, zerfallen sie zu leicht.“In Scheiben schnibbeln. „Dann nimmt man eine schöne gußeiserne oder beschichtete Pfanne.“Das Letzte aus der Herdplatte holen, Pfanne ordentlich heiß werden lassen – und das richtige Knusper-Mittel verwenden. „Ich persönlich nehme gerne Butterschmalz“, verrät der Profi. Ebenfalls geeignet: (gutes) Öl, keine Butter (verbrennt bei starker Hitze), oder – bei passender Beilage – und nur für Fleischesser: Gänseschmalz.

„Ganz wichtig ist: Die Kartoffeln in das heiße Öl geben und dann nicht gleich umrühren.“Die Scheiben vor sich hin brutzeln lassen, wahlweise auf höhere Wesen, Naturgesetze oder Beschichtungstechnik vertrauen und erst zum Pfannenschieber greifen, wenn selbst Optimisten nicht mehr an das gute Ende glauben. „Die lösen sich von ganz alleine“, spricht Häusler allen Kartoffelbrätern Mut zu. Nur eben nicht gleich rühren. „Sonst brennt alles an.“Auch nach der ersten Wende zurückhaltend agieren. Und – Salz zieht Wasser aus den Kartoffeln – erst zum Schluß würzen.

Eine Lieblingssorte hat Häusler nicht. Nur eine Bedingung: „Man nimmt am besten festkochende Sorten.“So wie Sieglinde.

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