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„Spezialisten für das Ganze“

■ Star-Architekt Meinhard von Gerkan zur Zukunft der Architektenausbildung in Hamburg

taz: Sie haben sich als Gründungsdekan für einen neuen Fachbereich Architektur an der HfbK zur Verfügung gestellt. Warum?

Meinhard von Gerkan: Hochschulpräsidentin Adrienne Goehler hat mich gefragt, ob ich bereit wäre, mich auf das Pferd zu setzen, dem sie die Sporen geben will. Zuerst war ich sehr reserviert. Erst nachdem sie mir deutlich machte, die HfbK sei bereit, völlig neue Wege zu gehen, habe ich zugesagt.

Nur als Hebamme?

Nur Hebamme wäre ein bißchen zu wenig. Es paßt ins Konzept, jemanden zu finden, der das Pferd sattelt, den ersten Anritt macht und sich dann langsam wieder zurückzieht. Aber ich würde dort gerne meine Vorstellung von Architekturlehre verwirklichen. Denn Hamburg ist in der Ausbildung von Architekten und Planern unterbelichtet. Die Situation ist ausgesprochen desolat.

Wie wollen Sie das ändern?

Statt zuviele schlecht auszubilden, sollte die richtige Anzahl von Studenten gut geschult werden. Dabei kann man auch noch Geld sparen.

Wollen Sie zurück zur Hochschule der 50er Jahre?

Ich habe keine Patentlösung. Ich sage auch nicht, daß man die Studenten alle auf die Straße schicken soll. Aber der Nivellierungseffekt läßt die Begabten zu kurz kommen und macht die hamburgische Ausbildung national zweitklassig.

Deshalb ein neuer HfbK-Fachbereich?

An TUs sind Architekten immer nur Paradiesvögel. Und die FHs sind zu schulisch, um das Potential für kreative Arbeit zu bieten. Im Gegensatz dazu ist eine Einrichtung wie die HfbK eine wunderbare Plattform, um neue Dinge zu machen.

Was sollen Ihre Architekten können?

Sie sollen konzeptionell ganzheitlich und kreativ gesellschaftliche Fragen unserer Umweltbeschaffenheit und -gestaltung im Kleinen wie im Großen – von der Inneneinrichtung eines Büros bis hin zur Stadt – erdenken, erarbeiten, vertreten und umsetzen können. Als Spezialisten für das Ganze.

Kritiker halten entgegen, Sie transportierten da den Architekten des 19. Jahrhunderts. Heute seien statt dessen Moderatoren, Teams, soziale Stadtentwickler gefragt.

Ich halte von Moderatoren herzlich wenig. Es geht um ein inhaltlich-konzeptionelles Anliegen. Man muß wissen, was man will. Es kann nicht darum gehen, die sich widerstreitenden Interessen möglichst weich abzufedern und faule Kompromisse zu schließen.

Statt dessen Architekten als Stadtmanager?

Das wäre etwas vermessen, aber jedes Orchester braucht einen Dirigenten. Es gibt zwei konträre Grundauffassungen: Die einen wollen an der öffentlichen Obhut festhalten, die anderen behaupten, man müsse den öffentlichen Raum privatisieren, weil er nur so gepflegt werde. Das halte ich für einen großen Irrtum, weil sich mit der Privatisierung ein direktes ökonomisches Interesse der Verwertbarkeit verbindet.

Ein Konzept der HfbK sieht fünf Meisterklassen vor.

Ich stimme keineswegs hundertprozentig mit der HfbK überein. In der Kommission ging es uns nicht um die Rettung einer Institution, sondern um einen Neubeginn für die Architekturausbildung. Daß Frau Goehler dann gesagt hat, prima, da kommt das Pferd aus dem Stall, auf das ich gewartet habe, ist eine andere Sache.

Ist das Meisterklassen-Konzept dieser Neubeginn oder nicht doch eine altmodische Schmalspurausbildung?

Eine Schmalspurausbildung ist das nicht. Was mir daran Unbehagen macht, ist dieses Guru-Phänomen.

Sie sind für eine Ausbildung nach Fächern.

Ja. Ich kann mir das nicht so hierarchisch vorstellen. das Bild einer Bauakademie paßt am besten.

Warum nicht gleich eine modulare Ausbildung?

Modular bedeutet Spezialisierung. Diese führt uns immer tiefer in den ohnehin großen Dissens der vielen Richtigkeiten ohne persönliche Verantwortung für das Ganze. Ein modulares Studium wird ein Selbstbedienungsbüffet zum Dünnbrettbohren.

Und ein Kooperationsmodell aller drei Hochschulen?

Das wird ein Debattierklub. Wenn es um eine wirkliche Kooperation ginge, müßte jeder Abstriche machen. In der Architektur gibt es zwei polare Tätigkeitsfelder, das handwerklich-technische und das künstlerisch-konzeptionelle. Keine Ausbildungseinrichtung kann beides umfassend leisten. Ich kann mir nicht vorstellen, daß zum Beispiel die Fachhochschule sagt: Wir machen das Handwerkliche, ihr das Entwerfen.

FH und TU haben sich aber schon auf eine enge Kooperation verständigt.

Die TU will die Architektenausbildung ausbauen?

Dafür will sie Mittel umschichten. Sie ist aber durchaus bereit, dabei mit einer kooperationsfähigen HfbK zusammenzuarbeiten.

Wenn das bewirkt wird, dann wäre das ja wunderbar. Dann hätte sich die ganze Aktion ja gelohnt. Eine qualitätsvolle Ausbildung an der TU würde ich natürlich begrüßen. Es geht um die Sache und nicht darum, irgendeine Institution zu unterstützen. Obwohl – das sehe ich genauso wie Adrienne Goehler – wenn die Architektur nicht zu halten ist, dann ist die ganze HfbK wohl nicht zu halten. Das fände ich in der Tat bedauerlich.

Goehlers Konzept, auf Kosten anderer Hochschulen bei sich feiner und kleiner auszubilden, hat aber kaum eine Chance auf Realisierung.

Das müssen Sie wohl so sehen.

Dann kann die Alternative aber doch nur Kooperation heißen.

Wenn das von oben, das heißt von der Politik gesteuert wird, dann könnte das durchaus funktionieren. Man kann bloß nicht davon ausgehen, daß die Betroffenen sich zusammensetzen, jeder seine Eigeninteressen zurückstellt und dann daraus etwas Optimales hervorkommt – das geht nie und nimmer. Es geht nur mit Druck von oben und, um im Bild des Architekten zu bleiben, wenn man ein Gesamtbild vor Augen hat.

Interview: Florian Marten

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