: Datenschützer schützt Parteien
Nur formeller Widerspruch schützt vor DVU-Post: Datenschutzbeauftragter gibt Widerstand gegen ungewollte Wahlwerbung auf ■ Von Silke Mertins
„Das war die größte Bürgeraufregung seit der Volkszählung“, faßte der Hamburger Datenschutzbeauftragte Hans-Hermann Schrader gestern die Empörung über die persönlich adressierte DVU-Post im Bürgerschaftswahlkampf zusammen. Schuld daran ist das Meldegesetz: Es erlaubt den Parteien, Adressen aus dem Melderegister anzufordern. Die BürgerInnen können sich nur mit einem formellen Widerspruch gegen die ungewollte Wahlwerbung schützen.
Bislang hatte Schrader sich immer gegen diese Regelung ausgesprochen. Umgekehrt sollte es seiner Auffassung nach sein: Nur wer ausdrücklich erlaubt, daß seine Daten an Parteien weitergegeben werden, sollte mit persönlich adressierter Wahlwerbung behelligt werden. Doch für diese Regelung „gibt es keine politische Mehrheit“, bedauert Schrader. „Die großen Parteien sind nicht bereit, das mitzutragen.“Folglich hat nun auch der Datenschutzbeauftragte seinen grundsätzlichen Widerstand gegen das Meldegesetz aufgegeben und sich einer Informationskampagne der Innenbehörde angeschlossen.
„Die Alternative wäre, die Leute glatt vor die Wand laufen zu lassen“, begründete Schrader gestern bei der Vorstellung des Datenschutzberichtes 1997 seine Entscheidung. Die Wahlbevölkerung nun aufzuklären, wie sie sich gegen DVU-Post und andere Parteienpropaganda wehren können, ist seiner Auffassung nach „die zweitbeste Lösung“. Da die Parteien bereits ein halbes Jahr vor den Wahlen die Datenweitergabe beantragen können, empfiehlt Schrader, bis Ende März Widerspruch einzulegen. In dem neu entwickelten „Datencheckheft“ist ein Formular für diesen Zweck abgedruckt. Zusätzlich wird die Innenbehörde mit einem Merkblatt informieren. Auskünfte werden auch in der Landeszentrale für politische Bildung, den Bezirksämtern und der Verbraucherzentrale erteilt.
Nach den Bürgerschaftswahlen hatten SPD und CDU sich gegen die Änderung des Meldegesetzes ausgesprochen. Auf die Zugriffsmöglichkeit „wollen wir nicht verzichten“, sagte die SPDlerin Helga Weise. Außerdem sei es „nur eine formale Reaktion“auf den Wahlerfolg rechter Parteien. Besser wäre eine politische Auseinandersetzung. Derzeit berät der Innenausschuß über einen GAL-Antrag auf Änderung des Meldegesetzes.
Ungebrochen ist hingegen Schraders Widerstand gegen den vor zehn Tagen beschlossenen „großen Lauschangriff“. Es sei ein „Irrglaube“, daß man „durch staatliche Kontrolle die Verbrechensbekämpfung in den Griff bekommt“. Als Beleg für die Fragwürdigkeit des Lauschangriffs wies er auf eine Internetseite des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) hin (http//www.bsi.de). Dort „erklärt der Bund selbst, wie man sich schützen kann“, so Schrader. Er rechnet damit, daß das Verfassungsgericht sich mit dem Lauschangriff befaßt.
Das Datencheckheft gibt es kostenlos am Baumwall 7 oder gegen Rückporto (1,50) per Post.
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