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Völkermörder im Kabinett?

In der Regierung der bosnischen Serben sollen drei Kriegsverbrecher sitzen. Balkan-Institut und Gesellschaft für bedrohte Völker warnen vor Finanzhilfen  ■ Von Andreas Zumach

Genf (taz) – Die zahlreichen Vorschußlorbeeren aus Bonn und anderen Hauptstädten für den neuen bosnisch-serbischen Ministerpräsidenten Milorad Dodik waren möglicherweise verfrüht. Dodik hat nach Erkenntnissen des Washingtoner Balkan-Instituts und der Göttinger Gesellschaft für bedrohte Völker (Gfb V) drei zentrale Posten seines Kabinetts mit Personen besetzt, die für Völkermord und Kriegsverbrechen verantwortlich oder daran sogar direkt beteiligt gewesen sein sollen. Erst gestern hatte Bundesaußenminister Klaus Kinkel dem neuen Regierungschef in Banja Luka seine Aufwartung gemacht und die baldige Freigabe von wirtschaftlicher Wiederaufbauhilfe in Millionenhöhe angekündigt.

Laut dem von ehemaligen Mitarbeitern des US-Außenministeriums betriebenen Balkan-Institut war Dodiks Verteidigungsminister Manojlo Milanović während des Kriegs als Stabschef der bosnisch- serbischen Armee direkt deren Oberkommandierendem General Ratko Mladić unterstellt. Mladić ist vor dem UNO-Tribunal in Den Haag wegen Völkermord und anderer Kriegsverbrechen angeklagt. Unter anderem wird ihm die Eroberung der UNO-Schutzzone Srebrenica im Juli 1995 und die anschließende Ermordung von bis zu 8.000 muslimischen Zivilisten im nahe gelegenen Potcari zur Last gelegt. An der Leitung der Selektion von 3.000 bis 4.000 Muslimen, die dann hingerichtet und in Massengräbern verscharrt wurden, soll Milanović beteiligt gewesen sein.

Die Gfb V benennt hierfür 16 AugenzeugInnen. Eine Belgrader Zeitung zitierte Milanović kürzlich mit dem Wunsch, sein ehemaliger Chef, dessen Auslieferung das Den Haager Tribunal von der Regierung Dodik fordert, möge in Freiheit bleiben. „Dank des bosnisch-serbischen Sicherheitssystems“ sei Mladić „geschützt, die SFOR kann ihn nicht schnappen“.

Dodiks Innenminister Milovan Stanković diente Mladić während des Kriegs als Berater für Geheimdienstfragen. Fernsehaufnahmen der Monate Juni und Juli des Jahres 1995 zeigen beide zusammen in Srebrenica und Umgebung.

Dodiks Justizminister Petko Cancar war während des Kriegs Bürgermeister der von den Serben in „Srbinje“ umbenannten ostbosnischen Stadt Foca. Laut Balkan- Institut war Cancar verantwortlich für die Einrichtung mehrerer Internierungs- und Vergewaltigungslager in der Region Foca. In diesen Lagern sollen über 1.000 Muslime ermordet worden sein. Cancar habe diese Lager mehrfach besucht, heißt es in der Anklageschrift des Haager UNO-Tribunals gegen den früheren Serbenführer Radovan Karadžić.

Die Gbf V verlangt, die drei Männer vor dem Tribunal zur Verantwortung zu ziehen. Zwar habe Dodik die Umsetzung des Dayton- Abkommens zugesagt. Doch „solange er Massenmörder in die wichtigsten Regierungsämter“ hebe, hätten „die 200.000 Flüchtlinge aus der Republika Srpska keine Rückkehrchance“. Solange Milanović, Sanković und Cancar dem Kabinett von Ministerpräsident Dodiks angehörten, dürfe die neue Regierung keine Finanzhilfen aus Bonn und anderen Hauptstädten erhalten, fordern die GbfV und das Balkan-Institut.

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