: Glotzen ist Freiheit
Fußball kann ein Grundrecht sein: Richter gegen „durchgängige Kommerzialisierung von Information“ ■ Aus Karlsruhe Christian Rath
Es ging um das Recht mitzufiebern. Dies gibt es, urteilten die Bundesverfassungsrichter gestern und bestätigten das sogenannte Kurzberichterstattungsrecht. Eben jene Regelung, welche die Bundesregierung vor dem Gericht zu Fall bringen wollte. Doch die eindeutige Antwort lautet: Regelungen, mit denen „Informationsmonopole“ verhindert werden können, sind zulässig. Sie dürfen allerdings nicht zu weit in die ökonomischen Interessen der Sender und Sportverbände eingreifen.
Ende der 80er Jahre waren die Bundesliga-Rechte erstmals an einen Privatsender verkauft worden. Damals waren Teile der Bundesrepublik aber noch nicht verkabelt. Damit alle Sportbegeisterten wenigstens die Bundesligatore sehen konnten, führten alle Länder per Staatsvertrag das „Recht auf Kurzberichterstattung“ ein. Dagegen liefen der DFB und die Sender, die sich Exklusivrechte gekauft hatten, Sturm – obwohl die Bestimmungen tatsächlich nie zur Anwendung kamen. Die Privatsender sahen eine Entwertung ihrer Exklusivrechte, der DFB hatte Angst um seine Einnahmequelle. Dieses Lamento verwandelte die Bundesregierung in eine Normenkontrollklage beim Bundesverfassungsgericht. Ihr Argument: die Ländergesetze verletzten das Eigentum und die Berufsfreiheit von Veranstaltern und Rechteinhabern.
Diese Sichtweise hat das Verfassungsgericht weitgehend abgelehnt. Als Maßstab wählte Karlsruhe die Berufsfreiheit – gemeint ist damit die Freiheit der Rechtebesitzer, diese nach ihrem Gutdünken zu verwerten. Die aber, sagt das Gericht, kann eingeschränkt werden: Jedenfalls wenn „vernünftige Allgemeinwohlbelange“ dies erfordern. Und die gelten für das Gericht weiterhin, auch wenn die Privatsender inzwischen flächendeckend zu empfangen sind.
In dem Urteil wird vor allem mit der Bedeutung der Rundfunkfreiheit für eine demokratische Gesellschaft argumentiert. „Eine Monopolisierung der Berichterstattung würde das Ziel der freien Meinungsbildung gefährden, weil sie uniforme Information begünstigt“, heißt es in der Entscheidung. Die „durchgängige Kommerzialisierung von Informationen“ dürfe deshalb nicht dazu führen, daß die Sender, denen die Exklusivrechte gehören, andere von den Informationsquellen ausschließen können. Damit ist klargestellt, daß auch künftig, nach Einführung des Pay-TV, ein „Recht auf Kurzberichterstattung“ bestehen bleiben kann und vielleicht sogar muß.
Der Verweis auf die Grundlagen der Demokratie klingt etwas pathetisch angesichts der Tatsache, daß es um Fußball-Berichterstattung geht. Nach Ansicht des Verfassungsgerichts ist deren Bedeutung nicht zu unterschätzen. Sportereignisse schafften „Identifikationsmöglichkeiten“ und seien „Anknüpfungspunkt für eine breite Kommunikation in der Bevölkerung“. In den nächsten fünf Jahren müssen die Länder aber doch eine Neuregelung des Staatsvertrags aushandeln.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen