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NachgefragtBetriebsrat nickt ab

■ NGG-Sekretät zu Ärger bei Eduscho

Der Bremer Kafferöster Eduscho baut unter der Regie seines neuen Eigentümers Tchibo in den nächsten Monaten 800 Stellen ab. Der Betriebsrat spielt mit. Möglicherweise nicht immer mit ganz sauberen Methoden. Wir sprachen mit dem Bremer Gewerkschaftssekretär der Gewerkschaft Nahrung-Genuß-Gaststätten (NGG), Matthias Brümmer, der zuständig ist für die Kaffeeindustrie.

taz:Bei Eduscho gehen jetzt in 200 deutschen Filialen die Lichter aus. Der Betriebsrat hat den damit verbundenen Entlassungen von 800 Beschäftigten zugestimmt. Wie geht's weiter?

Matthias Brümmer, Gewerkschaftssekretär der Bremer NGG: Das Unternehmen wird jetzt den betroffenen Beschäftigten mitteilen, daß sie gekündigt sind. Diese Kündigungen laufen nach unserer Kenntnis nicht entsprechend der Sozialauswahl, sondern entsprechend der Wunschliste des Unternehmens. Der Betriebsrat hat das mehrheitlich abgenickt.

Und jetzt gibt es Zoff zwischen Betriebsrat und Belegschaft?

Ja. Der Betriebsratsvorsitzende Friedrich-Wilhelm Marx hat am 23. Januar den Kündigungen zugestimmt, obwohl er dazu vom Betriebsrat nicht autorisiert war. 13 Kollegen hatten zugestimmt, 13 dagegen bzw. sich enthalten. Nach der Geschäftsordnung bedeutet dies eine Ablehnung des Antrags. Der Betriebsratsvorsitzende spricht von einem „Fehler“. Aber wer so lange im Amt ist, kennt seine Geschäftsordnung. Nach der Zustimmung wurde ein Interessensausgleich ausgehandelt, ohne den Betriebsrat nochmal zu fragen. Wir werfen Herrn Marx deshalb einen doppelten Amtsmißbrauch vor.

Sind die Unterschriften so überhaupt gültig?

Gestern hat der Betriebsrat in einem Nachbeschluß den Anträgen zugestimmt. Damit können die Entlassungen jetzt ausgesprochen werden.

Warum die Zustimmung?

Weil die Mehrheitsfraktion diesmal komplett war. Das läuft ab wie im Bundestag. Ich weiß nicht, ob da immer nach dem Gewissen abgestimmt wird.

Hat der Betriebsrat sich richtig entschieden?

Nein. Wir hätten gern über Teilzeit neu nachgedacht, über Vorruhestand. Um so viele Beschäftigte wie möglich in der Beschäftigung zu halten.

Und der Betriebsratsvorsitzende bleibt ungeschoren?

Wir haben als NGG geprüft, ob wir vor dem Arbeitsgericht ein Amtsenthebungsverfahren einleiten werden. Aber nach rechtlicher Prüfung haben wir uns dagegen entschieden, weil das Verfahren erst nach Abschluß der Betriebsratswahlen am 11. März erfolgen würde. Und dann ist der alte Betriebsrat nicht mehr zu belangen, selbst wenn er mit dem neuen identisch sein sollte.

Fragen: Fritz v. Klinggräff

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