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Grüne „Cousinenwirtschaft“ in Hessen

Die hessische Umweltministerin Margarethe Nimsch soll einer Parteifreundin Aufträge zugeschanzt haben. Die Opposition fordert Rücktritt. Kritik kommt auch aus den eigenen Reihen  ■ Aus Wiesbaden Klaus-Peter Klingelschmitt

„Wir werden es nicht zulassen, daß die erfolgreiche Arbeit von Margarethe Nimsch in den Schmutz gezogen wird.“ Die SprecherInnen des Landesvorstandes von Bündnis 90/Die Grünen in Hessen, Tom Koenigs und Sabine Giesa, stehen noch hinter ihrer Umwelt- und Familienministerin. Union und FDP hingegen haben der 58jährigen Juristin gestern im hessischen Landtag „Cousinenwirtschaft“ vorgeworfen. Nimsch soll der grünen Frankfurter Stadtverordneten Claudia Weigt Aufträge aus einem 1,8 Millionen Mark schweren Landesprogramm zur Förderung von Ausbildungsplätzen zugeschanzt haben.

Weigt, der die Beratungsfirma Stadtlandplus gehört, soll sich schon vor der öffentlichen Ausschreibung für das Projekt schriftlich an Landkreise und Städte gewandt haben, um kommunale Partner für das Projekt zu finden. Und tatsächlich war im nachträglichen Ausschreibungstext für das Projekt schon festgelegt, daß die Koordination nicht – wie bei solchen Projekten bislang üblich – vom Landesjugendamt übernommen wird, sondern von der Firma Stadtlandplus der Parteifreundin. Zur Veröffentlichung der Ausschreibung im Staatsanzeiger und in diversen Tageszeitungen kam es in dieser anrüchigen Form allerdings nicht. Nimschs Staatssekretär Rainer Baake stoppte die Aktion.

Eine politische Delikatesse am Rande: Denunziert wurde die Umweltministerin durch ein anonymes Schreiben aus dem eigenen Haus, das durch Detailkenntnis besticht. Nimsch selbst bestritt gestern, ihrer Parteikollegin, die auch Bundestagskandidatin von Bündnis 90/Die Grünen ist, direkt einen Auftrag erteilt zu haben. Sie räumte aber ein, „Fehler gemacht“ zu haben. „Ich habe gedrängelt und nicht genug auf die Verwaltung geachtet“, sagte sie.

Die Opposition im Landtag schäumt. „Einen Mißbrauch von Amt, Funktion und Steuergeldern kann man nicht als Fehler herunterspielen“, wetterte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der CDU, Franz Josef Jung. Sein Parteikollege Gerald Weist warf Nimsch vor, ihre Behörde zu „verramschen“.

Mit dem Vorwurf der „völligen Überforderung“ an die Adresse von Nimsch steht die Opposition nicht alleine da. Es war der kürzlich abgewählte Parlamentarische Geschäftsführer der Bündnisgrünen, Reinhold Weist, der vor wenigen Tagen offen aussprach, was viele in der Partei schon lange denken: „Nimsch ist das große Personalproblem der Grünen.“ Von der grünen Ministerin werde das „klassische grüne Thema Umweltpolitik“ nur noch „unter der Wahrnehmungsschwelle beackert“, sagte Weist. In dem anonymen Schreiben, durch das der neue Skandal erst öffentlich wurde, wird zudem von einem „tiefen Zerwürfnis“ zwischen Nimsch und ihrem Staatssekretär Rainer Baake berichtet. Baake gilt auch bei den kritischen Umweltverbänden als kompetenter Ansprechpartner – ganz im Gegensatz zur Ministerin. Die Opposition fordert jetzt ihren Rücktritt und, das war gestern nachmittag noch offen, wahrscheinlich auch einen Untersuchungsausschuß. Kommentar Seite 1

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