: Der gute Rat: Mehr Pheromone ausschütten!
■ Wenn in Naoe Gozus „Rakka Suru Yugata“ die Nebenbuhlerin bei der Exgeliebten einzieht, möchte man hinter deren Liebesleid dann doch allzuviel weibliche Duldsamkeit vermuten
Die Japaner sind keine Europäer, das merkt man manchmal, schon ehe die Filme beginnen. Vor der Aufführung ihres Regiedebüts „Rakka Suru Yugata“ erklärte Naoe Gozu in knappen Worten, worum es in dem Film geht. Die junge Protagonistin werde – so wird wortwörtlich übersetzt – „ihre Liebe verlieren“ und das Publikum möge die folgenden 100 Minuten doch „mit seinen Sinnen“ genießen. Ich dachte, erst die (grundsätzlich fragwürdigen) Untertitelungen sorgten für diesen blumig- poetischen Tonfall in japanischen Filmen. Doch Japanisch scheint tatsächlich eine liebevollere Sprache als andere zu sein. Auf deutsch wirkt so etwas nur aufgesetzt. Gleichzeitig ist kaum eine abendländische Produktion vorstellbar, in der sich die Protagonistin derartig viel gefallen läßt wie die in Gozus Tragikomödie.
Wie ihr Freund Kengo (Atsuro Watanabe) am Ende eines langen Tages und nach vier langen Jahren die Beziehung beendet, gerade als sich Rica (Tomoyo Harada) noch über das gemeinsame Essengehen freut, entspricht in der sperrigen Art auch hierzulande bekannter Männersensibilität. Er ziehe aus, sagt Kengo und präzisiert seine Entscheidung: Es sei ja nicht ihretwegen, sie sei ja nett und eine gute Köchin. O weh!
Es folgt die übliche Verzweiflung, in der die eher verschlossene junge Frau noch mal für ihn kocht und seinen Pulli als Erinnerungsstück einfordert, bevor Kengo erst einmal aus ihrem Leben verschwindet: ab zu seiner neuen Flamme. Als Rica die Neue trifft, entspricht die ganz den Befürchtungen: Hanako (Miho Kanno) ist zwar hübsch, aber zu dämlich, eine Kaffeemaschine zu bedienen, ein extrovertiertes Girlie mit quiekender Stimme. Auch soweit wäre das in Berlin vorstellbar.
In Japan scheinen sich Frauen aber deutlich härter malträtieren zu lassen, wenn denn Ricas Geschichte beispielhaft sein sollte. Eben wird sie noch von einer Freundin per Telefon mit wenig praktischen Tips zur Rückeroberung ihres Kengo („du mußt im entscheidenden Moment einfach mehr Pheromone ausschütten!“) versorgt, schon steht die Konkurrentin mit Tasche und Koffer im Zimmer und erklärt, sie ziehe hier ein, die Wohnung sei für Rica alleine doch viel zu groß und zu teuer. In unseren Breiten würde jetzt selbst eine Frau eine mittel- schwere Körperverletzung in Erwägung ziehen.
Rica tut das nicht. Dabei ist Hanako nicht einmal eine pflegeleichte Mitbewohnerin. Anscheinend tagelang nimmt sie ein Vollbad und grölt ohne erkennbaren Grund Zahlen durch die Wohnung. Aber Rica nimmt das hin, läßt ihre Untermieterin schlafen oder Papierhüte falten oder Kengo zum Essen zu dritt einladen.
Später jedoch freunden sich die ungleichen Frauen an, Hanaka stirbt kurz darauf, und Rica holt sich, wieder am Telefon, von einer Freundin die Erlaubnis zum überfälligen Losheulen. Kengos Pulli gibt sie zurück, selbstbewußter als zuvor. Dann verschwindet auch das Blau, nicht immer elegant symbolhaft für ihren Freund eingesetzt, aus dem „Rakka Suru Yugata“, und die Sonne „stürzt in den Abend“. Thomas Klein
Panorama: Heute 21.15 Uhr, Atelier am Zoo; 22.2., 15.30 Uhr, Atelier am Zoo
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen