: Hanf-Mampf statt Spacecakes
Hanflebensmittel halten nicht nur in Bioläden Einzug, sondern erobern mittlerweile auch die gehobene Küche. Die Lebensmittelpalette wird breiter ■ Von Esther Kogelboom
Hanfküche – ein Stichwort, zu dem vielen immer noch nichts anderes einfällt als Spacecakes und staubige Vollkornbrisoletten. Ralf Hiener vom Hotel „Zum weißen Hirsch“ in Born auf dem Darß kann darüber nur müde lächeln. Auf seiner Speisekarte findet man kulinarische Virtuositäten wie „Hirschkalbsbrust mit Hanfsamenkruste und überbackener Preiselbeer-Ingwersauce“.
„Die erste Frage unserer Gäste ist immer.,Wird man davon denn auch high?‘, aber dann sag' ich: ,Werfen sie zu diesem Zweck doch lieber einen Blick in unsere Getränkekarte‘.“, erzählt der 4-Sterne Koch. Für Ralf Hiener ist das Kochen mit Hanföl und Hanfsamen Alltag geworden. Er ist vor allem von der Hochwertigkeit der Hanfprodukte angetan. Wegen des „nussig-herben“ Geschmacks sei Hanföl universell einsetzbar und aus seiner Küche nicht mehr wegzudenken. „Man muß den Leuten die Hanfprodukte nahebringen, deswegen gehe ich auch schon mal selbst mit einem Löffel Hanföl an den Tisch und lasse die Gäste probieren.“ Im Sommer wird Ralf Hiener gemeinsam mit der TreuHanf ein Hanf-Kochbuch herausbringen. Ein Ding der Unmöglichkeit, wären Hanflebensmittel vom Lebensmittelausschuß der EU als „novel food“ eingestuft worden. Doch der österreichische Antrag konnte Ende 97 abgeschmettert werden.
Matthias Bröckers, Initiator der HanfHaus-Kette: „Eines der ältesten Nahrungsmittel der Menschheit hätte dann denselben Zulassungs- und Kontrollprozeduren unterworfen werden müssen wie genmanipulierte oder synthetische Lebensmittel.“ Das HanfHaus und seine Partner verarbeiten seit 1993 Hanfsamen von regionalen Anbietern zu den unterschiedlichsten Produkten.
Bröckers will den Hanf aus seinem Nischendasein herauskatapultieren. Im aktuellen Katalog des HanfHauses findet man neben Textilien, Kosmetika, Möbeln, und Papier auch ein breites Angebot an Lebensmitteln: Hanf-Schokolade mit extra zartem Schmelz, Hanf- Lollies, Cannabis-Pastillen, Pasta, Hanfbier, Müsliriegel, Hanf-Likör sowie eine Backmischung für Brötchen und Brot aus Hanfmehl.
„Hanf Farmer's beste Hanf-Samen, geröstet und gesalzen“ etwa haben einen pistazienähnlichen Geschmack, der jedoch erst zum Vorschein kommt, wenn man die Schale zernagt hat. „Daß Hanf in vielen Regionen auch das ,Kraut der Armen‘ genannt wurde, hatte einen einfachen Grund: Eine Handvoll Hanfsamen reichte, um den Körper mit den notwendigen Proteinen und Fettsäuren zu versorgen“, lehrt HanfHaus-Katalog.
Der Neuköllner Bäcker Yussuf Tas backt schon länger mit Hanfmehl und stößt auf wachsendes Interesse seiner Kunden. In seiner frisch renovierten Backstube fabriziert er mit seinem Kollegen tagtäglich bis zu 100 Brote mit Anteilen aus Hanfmehl, die er an Bioläden weiterverkauft. In ein paar Wochen will er auch Pide aus Hanfmehl anbieten und damit die Kreuzberger Dönerbuden beliefern. Seine Schrippen aus Hanfmehl sind nicht nur lecker, sondern auch urgesund: Hanfsamen, so hat das nova-Institut in Hürth herausgefunden, gehören nämlich zu den ernährungsphysiologisch hochwertigsten Ölfrüchten, die schon seit Jahrtausenden für die menschliche Ernährung genutzt werden. Hanfsamen enthalten alle acht essentiellen Aminosäuren; aus seinen Proteinen kann der Körper alle lebensnotwendigen Proteine herstellen. Darüber hinaus seien B-Vitamine und Vitamin E reichlich im Hanfsamen nachgewiesen worden. Das Öl, das aus den Samen kalt gepreßt wird, besitze einen ungewöhnlich hohen gehalt an ungesättigten Fettsäuren (Linolsäure und Alpha-Linolensäure). 10 bis 20 Gramm Hanföl sollen genügen, um den Tagesbedarf zu decken. Nicht zu unterschätzen ist auch der therapeutische Wert der Hanfsamen, die die seltenen Gamma-Linolensäure enthalten und damit die Symptome von Neurodermitis PMS, Arthritis und diabetischer Neuropathie lindern können.
Die Hanfsamen enthalten übrigens im Gegensatz zu den die Samen umgebenden Hüllblätter kein THC (Delta-9-Tetrahydrocannaboide). Laut nova-Institut können nur unsachgemäß hergestellte Hanföle relevante Mengen an THC enthalten, falls die Hüllblätter mit in die Presse geraten.
Hanf-Rezepte bietet unter anderem die Broschüre „Hanfsamen und Hanföl“ des nova-Institutes: Thielstr. 35, 50354 Hürth, Fax: 02233-978369
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