: Ab mit dem Hai ins Seemannsgrab
■ Die Grenzen von Fisch zu Ökofisch sind fließend / Was beim Kauf von Lachs, Hai, Garnelen und Thun alles zu beachten ist
Die Preise von Ökofisch sind beeindruckend. Der Unterschied zwischen Aldi- und Futura-Thun macht glatte 900 Prozent aus. Und wie wär's mit hundert Gramm Makrelenfilets für 11,50 Mark? Da schüttelt selbst Andreas Raab, Bremens Ökoschlachter, der gern ein bißchen im Fischressort wildert, lustig denKopf: „Makrelen sind eigentlich der letzte Rattenkram! Sozusagen die Fleischwurst auf dem Fischstand.“
Ökofisch, das ist ein Thema mit Haken und Ösen. Wer da mit Schleppnetzen rangeht, kriegt Probleme. Konkret: Wenn auf dem Futura-Thunfischglas „Ohne Schleppnetze!“steht, dann ist das erstmal ein Pluspunkt. Das heißt einfach: Es lebe der Delphin! Es lebe der ganze Beifang, der beim Thunfischfang mit in den Netzen steckt und nach Schätzung von Christian von Dorien, Bremer Fisch-Experte beim WWF, knapp die Hälfte des Fangs ausmacht – um anschließend „tot oder sterbend“ins Seemannsgrab zurückgeschüttet zu werden.
Doch auch im übertragenen Sinn kann man das Thema Ökofisch nicht mit der großen Geste köchern. Es sei denn, man läßt das Fisch-Essen ganz sein. Denn in den Weltmeeren ist Schweinkram von Moral nicht ganz sauber zu trennen. Andreas Raab zum Beispiel schwört auf seinen St. Patrick Lachs. Fraglos ein bestechend köstliches Zeug, der Wiskey-Kräuter-Lachs. Der wurde nicht mit Schleppnetzen gefangen – sondern wuchs in Zuchtgehegen vor der irischen Küste auf. Aber: So was wie Artgerechtigkeit gibt es bei den Raubtieren dann nicht mehr. Die Lachse sind trotzdem fast so fettarm wie ihre wilden Artgenossen. Denn das Gedränge in den irischen Öko-Gehegen ist bei einer Naturland-kontrollierten „Besatzdichte von 1 kg Lachs pro Kubikmeter Wasser“sehr viel geringer als normal. Außerdem liegen ihre Käfige nicht zwei Meter vor der Küste im nährstoffreichen Industrie-Brackwasser.
So was sind Kriterien. Dazu gehört auch die Versicherung: Dieser Zuchtlachs kriegt nicht zermahlenes Schwein, sondern Fischmehl zu futtern. „Warum dann nicht lieber gleich sieben Mal Sardinen essen“, fragt hingegen Christian von Dorien. Das käme aufs Gleiche hinaus. Aber natürlich kennt auch er die Antwort: Weil Lachs nun mal besser schmeckt.
Deswegen wird es auf längere Zeit wohl auch keinen Öko-Fischstand mehr in Bremen geben. Der letzte sei Ende 1996 abgeschafft worden, als „Udo“zu dem auf Dauer einseitigen Forellen-Angebot aus dem eigenen Teich noch Seefisch in die Auslage legte, erzählt Marktleiter Helmut Riedemann: „Damit gab's ständig Deklarationsprobleme. Wir haben nun mal strenge Bioland-Regeln. Da kann man nicht so im Nebulösen rumfischen.“Heute fährt Udo wieder LKW.
Die Grenzen von Fisch zu Ökofisch also sind fließend. Ein paar Empfehlungen kann man sich von der WWF trotzdem mitnehmen. Hegen Sie ein gesundes Mißtrauen gegenüber Dosenaufdrucken wie „Delphinfreundlich gefangen“. Das seien, so v. Dorien, oft Eigenlabel. Bestellen Sie sich lieber bei der „Gesellschaft zur Rettung der Delphine“eine Liste von kontrollierten Importeuren
Und auch tropische Garnelen seien fragwürdige Fischhändel. Auf ein Kilo Shrimps kommen zehn Kilo totgemachter Beifang. Und wenn die in Ecuador in Zuchtteichen aufwachsen, dann müssen zuvor Mangrovenwälder weichen. Ansonsten heißt es abwarten.
Anfang nächsten Jahres will der „Marin Stewardship Council“(MSC) – ein unabhängiges Gremium, das vor zwei Jahren gemeinsam von der WWF und dem Frostfisch-Fabrikanten Unileva gegründet wurde – einen ersten Kriterienkatalog für nachhaltigen Fisch herausgeben. ritz
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