: Nach dem Zapfenstreich
■ ABC-Schützen und alte Leute sollen nun dort unterkommen, wo Soldaten ihre Stuben hatten / Das Sozialwerk der Freien Christengemeinde kauft Teile der Tirpitz Kaserne
Wo einst hinter dicken Mauern und hohen Zäunen Bundeswehrangehörige strammstehen mußten, werden in Zukunft alte Menschen ihren Lebensabend verbringen, Kinder die Schulbank drücken und psychisch Kranke in Werkstätten arbeiten.
Drei Jahre lang sammelte sich der Staub in den ungenutzten Stuben der Soldaten an, während diverse Behörden und Vereine sich nach dem „Rückzug“der Bundeswehr um eine „Besatzungserlaubnis“des Gröpelinger Geländes bemühten. Das Rennen machte am Ende das Sozialwerk der Freien Christengemeinde, die die drei Hauptgebäude der ehemaligen Kaserne am Schwarzen Weg Ende Januar vom Bund erstand. Auch das Land Bremen sicherte sich ein Stück vom Kuchen und wird das alte Lehrküchengebäude zu einer Grundschule umgestalten.
Umbau oder Erweiterung? Diese Frage bewegt momentan das Büro des Senators für Bildung und Wissenschaft. Sicher ist lediglich, daß die Lehrküche von jeweils einer Klasse aus den Schuljahrgängen eins bis vier genutzt werden soll. Diese vier Klassen werden nicht, wie anfangs geplant, eine selbständige Schule bilden, sondern „einer anderen Grundschule als Kapazitätserweiterung unterstellt werden, da eine komplett neue Schule zu hohe Verwaltungskosten aufwerfen würde“, läßt Johannes Schumacher, beim Bildungssenator zuständig für Raumfragen, verlauten. „In Frage kommen hierfür die Schulen im Halmer Weg und an der Oslebshauser Heerstraße“.
Voraussichtlich erst im Sommer 1999 werden die ersten ABC-Schützen durch die Gänge der Kaserne toben. Denn bisher sind die zuständigen Stellen noch nicht über die Planungsebene hinausgekommen, doch „die ersten Bauarbeiten beginnen in der zweiten Jahreshälfte 1998“, sagt Schumacher zuversichtlich. Etwas unzufrieden zeigt sich hingegen Hans-Peter Mester. Der stellvertretende Leiter des Ortsamts West hätte es lieber gesehen, wenn gleich zwei Klassen aus jedem Jahrgang im umgestalteten Gebäude Platz gefunden hätten.
Wenn es nach Hans-Peter Mester gegangen wäre, hätte sich das Sozialwerk der Freien Christengemeinde mit einem kleineren Teil der Anlage begnügen müssen, da er „eine breitere Mischung von vielen verschiedenen Vereinen und Firmen als Käufer“vorteilhafter findet.
Für die Freie Christengemeinde hingegen öffnet sich durch den Erwerb der drei Gebäude „die Möglichkeit, die Aktivitäten bis nach Gröpelingen auszudehnen.“So sieht es jedenfalls Armin Hein vom Sozialwerk der Freien Christengemeinde. Zuerst sollen die Zäune abgerissen werden, damit „das Gelände sich dem Stadtteil öffnet“. In einem der drei U-förmigen Gebäude wird die Christengemeinde Räume für Veranstaltungen und Vereinsnutzungen vermieten. Auch die private Realschule und Oberstufe „Mentor“, die von der Freien Christengemeinde getragen wird, findet einen neuen Platz auf dem Tirpitz-Gelände.
Mittelpunkt der neuen Anlage wird jedoch das neue Altenpflegeheim, das bislang 60 alten Menschen Platz bieten soll. „Wir werden außerdem einige unserer Werkstätten für Behinderte und psychisch Kranke in eines der U-Häuser verlegen“, erklärt Armin Hein. Zu diesen Werkstätten zählen unter anderem eine Druckerei und eine Holzwerkstatt. Während die „Mentor“-SchülerInnen bereits im Sommer umziehen können, wird der Bezug des Pflegeheims erst in knapp zwei Jahren erfolgen.
Neben den innenarchitektonischen Umbauten sollen auch auf dem Freigelände diverse Veränderungen stattfinden: Hartmut Spie-secke aus dem Büro des Bausenators spricht von einer „Bepflanzung durch die Bremer Stadtgrün“auf dem vom Land Bremen gekauften Teil der Kaserne, und die Freie Christengemeinde möchte Basketballkörbe und anderen Freizeitanlagen für Jugendliche installieren, um das ehemalige Bundeswehrgelände in den Stadtteil zu integrieren.
Drei Jahre nach dem letzten Zapfenstreich laufen jetzt also die zahlreiche Maßnahmen für eine Wiederbelebung der Tirpitz Kaserne durch die zwei Käufergruppen.
Kai Moorschlatt
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