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Murdoch oder Meinungsäußerung

■ In London laufen Medienzar Murdoch nun die Schreiber davon. Er zensierte Buch über China

Einem der renommiertesten britischen Buchverlage, Harper Collins, laufen die Autoren davon. Sie beschuldigen das Management der Zensur, nachdem es einen bereits unterzeichneten Vertrag mit Chris Patten, dem letzten britischen Gouverneur von Hongkong, gelöst hatte. Patten arbeitet an einem Buch über China, in dem er sich kritisch mit der Regierung und deren Menschenrechtspolitik auseinandersetzt.

Das paßte Rupert Murdoch nicht. Da dem Medienzar auch Harper Collins gehört, wurde er dort vorstellig und forderte Pattens Hinauswurf. Seine Motive sind kein Geheimnis: Murdoch hat erheblich in China investiert. Er besitzt unter anderem den Satelliten- Fernsehsender Star TV, der seit Januar von Hong Kong aus via Kabel nach Südchina senden darf. Das Kabelunternehmen Phoenix ist ebenfalls Teil von Murdochs Medienimperium. Vor einigen Jahren verbannte Murdoch bereits das Auslandsfernsehen BBC-World von seinen Satellitenangeboten, weil dort regierungskritische Sendungen über China liefen.

Als erster zog Verlagslektor Stuart Proffit die Konsequenzen aus der Zensur-Affäre und kündigte. Er hatte Pattens Buch betreut. Nun wird es bei Mac Millan erscheinen. Autor und Lektor haben Klage gegen Harper Collins eingereicht. Die Entscheidung des Verlags gegen ihn sei ein „furchtbarer Schock“ gewesen, sagte er.

Vorgestern verließ auch Jonathan Power, ehemaliger Auslandschef der Herald Tribune, den angeschlagenen Verlag. Er arbeitete an einem Buch zum vierzigjährigen Bestehen der Menschenrechtsorganisation amnesty international. „Murdoch und das Recht auf freie Meinungsäußerung sind ein totaler Widerspruch“, sagte er. Am Wochenende hatte bereits Simon Heffer gekündigt. Er sollte eine Biographie des vor kurzem verstorbenen rechten Politikers Enoch Powell schreiben.

Peter Hennessy, ein Londoner Historiker, der bei Harper Collins ein Werk über die Premierminister herausgeben wollte, sagte: „Niemand mit einem Funken Anstand wird seine Bücher diesen Leuten überlassen.“ Hennessy sagte, daß eine ganze Reihe von Autoren Proffit folgen würden, falls er bei einem anderen Verlag anheuert. Fay Weldon und die Booker-Preisträgerin Penelope Fitzgerald sowie der Literaturkritiker Frank Kermode und der Biograph Simon Schema deuteten ebenfalls an, daß sie künftig lieber anderswo veröffentlichen möchten.

Nur der Ex-Premier John Major, ein enger Freund Chris Pattens, bleibt dem Verlagshaus treu. Er betonte aber, er werde jeden Versuch unterbinden, seine Memoiren zu zensieren. Sie sollen im nächsten Jahr erscheinen.

Harper Collins gab inzwischen eine müde Presseerklärung heraus. Man habe den Vertrag mit Patten gekündigt, heißt es darin, weil die ersten sechs Kapitel, die er im Januar fertiggestellt habe, nicht ihren Erwartungen entsprochen hätten. Und Murdoch schickte seine eigene Erklärung hinterher: Er habe nie versucht, an Pattens Buch Veränderungen vorzunehmen, sagte er. Es sei wohlbekannt, daß die Redakteure bei seiner News Corporation frei ihre Meinung sagen dürfen. Ralf Sotscheck

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