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„Am Anfang war die Wut“

■ Medica Zenica – die Erfolgsgeschichte einer couragierten Ärztin und ihrer Hilfsaktion

„Ein Frauenprojekt in Bosnien? Haben Sie noch alle Tassen im Schrank?“ So entrüstete sich ein Sprecher der Deutschen Humanitären Hilfe, als ihm die Ärztin Monika Hauser ihren Plan unterbreitete, in Bosnien ein Zentrum für vergewaltigte Frauen aufzubauen.

Im Spätherbst 1992 wurde die Weltöffentlichkeit von der Nachricht erregt, in Bosnien seien massenhaft muslimische Frauen vergewaltigt worden. Die 33jährige Monika Hauser war entsetzt über den doppelten Mißbrauch der Frauen: als Opfer von Vergewaltigung und als Objekte eines „geilen“ Medienthemas. Die angehende Gynäkologin nervte alle internationalen Organisationen mit der Frage nach Hilfsprojekten, in denen sie mitwirken könne. Es gab keine. Also fuhr sie im Dezember 1992 auf eigene Faust nach Zagreb und tat sich um. Sie wollte auf jeden Fall ein feministisches Projekt, darum lehnte sie die Zusammenarbeit mit der katholischen Caritas ab: Denn den traumatisierten, oft selbstmordgefährdeten Frauen durfte die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs nicht genommen werden.

So begann die erstaunliche Erfolgsgeschichte der unabhängigen Frauenklinik Medica in der zentralbosnischen Stadt Zenica. Sie ist jetzt nachzulesen in Erica Fischers Bericht. Detailgenau und äußerst spannend beschreibt die Autorin, wie es Monika Hauser, gestützt auf ein kleines Team in Köln, gelang, Spendengelder zu organisieren, Tansporte auf die Beine zu stellen und so nach knapp vier Monaten, im April 1993, Medica Zenica zu eröffnen. Vor allem aber schaffte sie es, die Frauen vor Ort für ihr Projekt zu gewinnen. Monika Hauser engagierte in Bosnien zuerst mehrere Psychologinnen, in Zenica fand sie auch Ärztinnen, Krankenschwestern, Kindergärtnerinnen, eine begabte Organisatorin – und eine islamische Theologin. Auch Kroatinnen suchten Hilfe oder wurden angestellt, Monika Hausers Dolmetscherin war Serbin.

Das Buch berichtet von den Gefahren des Kriegs, der immer näher an Zenica heranrückte, und schildert in wenigen erschütternden Fallbeispielen auch Schicksale von vergewaltigten Frauen. Etwa aus einer Stadt, die zwischen dem 23. Oktober und 4. November 1993 zweimal den Besetzer wechselte, so daß die sexuelle Gewalt einmal die muslimischen, dann die kroatischen Frauen traf.

Monika Hauser lebt heute wieder in Deutschland, das Zentrum aber arbeitet weiter. Denn weder sind die Vergewaltigungstraumata aus der Welt noch die Gewalt gegen Frauen, die nach dem Krieg im „zivilen“ Bereich anstieg. Medica Zenica soll weiterhin von Köln unterstützt, aber organisatorisch unabhängig werden. Das Buch spart auch diesen konfliktreichen Abnabelungsprozeß nicht aus.

Letztes Jahr lehnte Monika Hauser das Bundesverdienstkreuz ab, weil sie keine Auszeichnung von einem Staat entgegennehmen wollte, der gleichzeitig mit der Rückführung bosnischer Flüchtlinge begonnen hat. Eva Pfister

Erica Fischer: „Am Anfang war die Wut. Monika Hauser und Medica mondiale. Ein Frauenprojekt im Krieg“. Verlag Kiepenheuer & Witsch, 1997, 240 S., 34 DM

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