: Sekt und Häppchen für die Revolution
■ Die FDP machte sich auf einer Festveranstaltung in der Paulskirche mit Eifer daran, das komplette Erbe der Revolution von 1848 anzutreten
Frankfurt/Main (taz) — Es war Peter Caesar, rheinland-pfälzischer Justizminister, der auf der Festveranstaltung der FDP zum 150.Jahrestag des Vorparlaments 1848 am Samstag in der Paulskirche den Bogen von den Märztagen 1848 bis zu den Verhältnissen heute spannte. In Deutschland seien aktuell Grundrechte abgebaut worden, so Caesar, die in ihrer Substanz schon zu den Forderungen der Revolutionäre von 1848 gehört hätten: das Asylrecht und die Unverletzlichkeit der Wohnung. Krokodilstränen bei Caesar und Beifall im Auditorium mit den geladenen Gästen.
Als ob die FDP mit der „Schleifung der entsprechenden Grundgesetzartikel“, so die scharfe Anklage von Caesar, nie etwas zu tun gehabt hätte. Auch daß sich die Liberalen nicht nur für diese Grundgesetzänderungen mit den Konservativen verbündeten, so wie einst die Liberalen von 1848 mit den konservativen Monarchisten, um die von den „Linken“ geforderte Republik zu verhindern, sagte Caesar nicht. Nach diesem Schulterschluß schon auf dem Vorparlament war die Revolution beendet und die Freiheit bald perdu. Liberale Geschichtsklitterung im großen Saal der neuen Deutschen Bibliothek.
Rund 300 Menschen aus „Wirtschaft, Wissenschaft und Politik“ (FDP) waren nicht nur gekommen, um der „Entwicklung des liberalen Gedankens“ durch Caesar zu lauschen. Die Festgesellschaft insgesamt war fest entschlossen, komplett das Erbe der 1848er anzutreten. Bei der FDP durfte deshalb auch einmal ein „Revolutionslied“ gesungen werden, meinte Ruth Wagner, Landesvorsitzende der Freien Demokraten in Hessen: „Die Gedanken sind frei.“ Ein Revolutionslied? Nicht vorgetragen wurde dagegen das Guckkastenlied vom großen Hecker: „Seht da steht der große Hecker, eine Feder auf dem Hut, seht da steht der Volkserwecker, lechzend nach Tyrannenblut.“
Den „guten alten Hecker, den radikalen Hund“, der zusammen mit Gustav Struve auf dem Vorparlament vergeblich für Republik und Demokratie stritt, hatte für die FDP zuvor schon der Historiker Dieter Hein ordentlich abgemeiert. Die knapp 70 „Linken“ um Hecker und Struve seien einfach nicht gewillt gewesen, sich den Mehrheitsentscheidungen, die auf die Einrichtung einer konstitutionellen Monarchie hinausliefen, zu beugen; schlechte Demokraten eben. Und Hein erfand die frühe Parteiengeschichte neu, exklusiv für die FDP. Die Republikaner und Demokraten wurden zu „Republikanern und Sozialrevolutionären“; die Liberalen und konstitutionellen Monarchisten avancierten zu „Demokraten“. Und die wurden dann gern vom Auditorium als „Vorfahren des Liberalismus“ (Wagner) adoptiert. Heftiger Beifall, Mozarts Flötenkonzert, Büfetteröffnung.
Darüber, daß diese „Vorfahren des Liberalismus“ dem preußischen König die Kaiserkrone andienten und dieser den „Reif aus Dreck und Letten aus Bürgerhand“ noch nicht einmal haben wollte, wurde dann nicht mehr geredet. Und auch nicht darüber, daß nur ein Jahr später die Konterrevolution marschierte, weil diese „Vorfahren des Liberalismus“ die Strukturen des Ancien Régime noch nicht einmal angetastet hatten. Sekt und Häppchen für die selbsternannten Nachkommen der „Revolutionäre“. Klaus-Peter Klingelschmitt
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