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Graffiti-Früchtchen

■ Alles Banane: Thomas Baumgärtel zeigt in der Galerie Schuster & Scheuermann, wie man mit einer gewitzten Idee den Kunstbetrieb narrt

Alles begann mit einer ganz gewöhnlichen Bananenschale, die ans Kreuz genagelt wurde. Natürlich in Köln, wo der Katholizismus noch genügend Sichtbarkeit besitzt, um ein karnevaleskes Spiel, aber auch entsprechende Reaktionen herauszufordern. „Die Letzten werden die Ersten sein“, hat sich Thomas Baumgärtel vielleicht gedacht, als er ein herabgestürztes Kruzifix solcherart wieder bemannte. Denn das klingt nicht nur christlich, sondern auch nach der Demut der arte povera. Derweil wurde die Bananenschale am Kreuz braun und welk und spielte ihre Rolle als Memento mori gar nicht einmal schlecht.

Kurze Zeit später wurde die Idee von der Banane als Stellvertreter geboren. In gelber Sprühfarbe feierte sie ihre Wiederauferstehung als positives Symbol und allgegenwärtiges Logo. 1986 begann der Weg des „Bananensprayers“: In Köln, Aachen, Düsseldorf und Berlin, bald auch in Paris und Brüssel tauchten die Bananen neben den Türen von Galerien, Kunstvereinen und Museen auf – München und Wien, London und New York, Basel und Frankfurt folgten. Eine Banane allein hatte nicht viel zu bedeuten, viele Bananen schon. Sie wurde zum Zeichen für „Kunst“ und „hier war der Bananensprayer“.

Alle redeten damals vom Kontext und wie aus dem, was der Künstler macht, erst im sogenannten Kunstbetrieb ein Werk wird. Die Markierung mit der Spraybanane brachte diese Theorie auf den einfachsten Nenner: Kunst ist, wo Kunst ist. Nahmen auch anfangs noch einige Wächter über die Sauberkeit der Stadtmauern die Graffiti-Frucht als Verschmutzung und verfolgten den anonym agierenden Sprayer mit Klagen, so hat sich mit ihrer Verbreitung auch die Anerkennung als Symbol durchgesetzt: Nun konnte auch Thomas Baumgärtel als Autor mit seinem Namen auftauchen.

Inzwischen wünschen sich neue Galerien die Banane, womit ihr anfangs subversiver Charme verblaßt. Noch allerdings expandiert das Bananensystem. Es gibt inzwischen Bananensprüche wie „Das ganze Leben ist Banane“ auf Hauswände gesprüht und als Postkarte, Bananentüten, -socken, Eurobananen. Mit letzteren übersprühte Baumgärtel 1993 Vostells Betonskulptur „Ruhender Verkehr“ auf dem Kölner Ring. Wolf Vostell bestand auf der Restaurierung seiner Skulptur. Denn die Verdoppelung der Kunstbehauptung kam ihrer Negation gefährlich nahe.

Neben den verschiedenen Aktionen entstehen seit 1995 auch Bilder. Erst kommentierte Baumgärtel die Geschichte der Kunst mit Übermalungen, dann setzte er eine Bananenschablone als Pixel ein, mit der sich jeder Gegenstand darstellen läßt. In diesem „Bananenpointillismus“ kann er Wasserhähne ebenso treffend wie Bundeskanzler Helmut Kohl darstellen. Schwarze Kringel verdichten sich in den Füßen von Stehlampen und in den Falten von des Kanzlers Kinn. Einige dieser gelbgrundigen Bilder zeigt jetzt die Galerie Schuster & Scheuermann. Es fehlt auch nicht die Abbildung eines Computers, dessen binärer Code ja auch mit zwei Zeichen alles darstellen kann.

Aber die Nutzung der Banane als Pixel ist wie der Wechsel eines Symbols in kleine Münze. Indem alles Banane wird, wird auch alles beliebig austauschbar. Nichts hat mehr einen spezifischen Wert. So macht diese Bilder eigentlich nur interessant, daß man ihren Autor als Bananensprayer kennt. Die Dynamik des Systems hat sich in ihr Gegenteil verkehrt. Der Künstler ist in den Betrieb zurückgekehrt und münzt nun, was als ironische Kommentierung seiner selbst gesetzten Spielregeln ihren Ausgang nahm, in die eigene Handschrift um. Die Banane hat sich einmal um sich selbst gedreht: Wer hätte gedacht, daß sie rund ist. Katrin Bettina Müller

Thomas Baumgärtel: „Bananenpointillismus“. Bis 11.4., Di.–Fr. 14–19, Sa. 11–16 Uhr, Galerie Schuster & Scheuermann, Fasanenstr. 81 A

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