Zwischen den Rillen: Koks im Wiener Blut
■ Konzeptalbum des Todeskandidaten: Falco
Der Mann mit dem Koks ist weg. Einer wie Falco kann eben nicht wie Egon Kling irgendwo in Deutschland an Grippe sterben – statt dessen Dominikanische Republik und großes Drama. Tragischer Unfall oder Freitod? Weiß man nicht. Jedenfalls waren Zufälle bei Falco eher die Ausnahme, häufiger waren Aus- oder auch Rückfälle. Perfekt dagegen der Name des obduzierenden Arztes: Dr. Sergio Sarita Valdez. Der fand im Wiener Blut allerlei, was da nicht hingehörte (Kokain, Alkohol, Marihuana). Aber Falco war ja Popstar, also „paßte das schon“.
Die Klassikerfrage zum Heimgang lautet ja: Was bleibt? Nun, es bleibt also eine Menge Geld (offenbar für die recht alleinerbende Mutter) und natürlich die Erinnerung, die alten Hits. Obendrein sogar eine neue Platte, die gerade noch fertig geworden war. Ein Konzeptalbum eines Todeskandidaten, in jeder Hinsicht. Die vielbestaunte Zeile „Muß ich denn sterben, um zu leben???“ ließ Anfang Februar alle Naiven schaudern – wußte der Mann mit dem Koks von dem Mann mit der Sense? Aber freilich. In den letzten zehn Jahren wirkte eigentlich jede Falco- Platte wie ein postumes Vermächtnis – ein zynischer, entrückter Gruß, mehr nicht.
Tadideldumm. Diese Platte heißt: „Out of the dark – into the light“. Das Cover ähnelt in Farbgebung und Schrifttypus dem Filmplakat zum „Fünften Element“. Und wie aus einer anderen Welt klingt und ist auch diese Platte. Wir denken an „Free as a bird“ und „Heaven for everyone“ – die Songs, die aus den Gruben der Herren Lennon und Mercury krochen.
Nun haben wir auf dieser Platte mit „Kommissar 2000“, eine in ihrer vollkommenen Überflüssigkeit wieder mal perfekt dekadente Quatschversion der einst so erfolgreichen Debütsingle. „Kommissar 2000“, weil der Kommissar 1998 (was ja eigentlich korrekt wäre) demnächst von TicTac ohne Ricky kommt. Die beiden gingen mit der Uraufführung vor zwei Wochen bei der Echo-Verleihung baden. Produziert vom mysteriösen Herrn „Börger“ – dem Ehemann der TicTacToe-Managerin Claudia Wohlfromm. Und dieser Börger nun hat auch Falcos Album produziert!
Spekulatius: Saß Ricky bei Jürgen Fliege auf dem Beifahrersitz, oder hat Herr Börger Kritik unter Palmen geübt? Und somit Falco in den Wahnsinn, also das Auto, getrieben? Vienna falling. Vor zwei Jahren nannte Falco sich mal einfach so T>>MA und reüssierte mit dem ordentlich kalkulierten Tabu- und Chartbreaker „Mutter, der Mann mit dem Koks ist da“ – eine gutquietschende, pädophile Drogenhymne mit Kinderchor. Ein Hit. Eigentlich sollte nun dieses Album das große Comeback werden und „Egoist“ heißen. Wir hören: Plattgewalzte Gitarren und fluppernde 80er Sounds, dazu selbstgewisses Haargelgerappe – ein Englischdeutschwienerich, das so dermaßen nach Flughafen (business class), gestriger Sonnenbrille und ewigem Einstecktuch klingt, daß man reflexartig nach den seat belts greift. Das ist schön. Wir denken an Falcos schlechtestes Album „Nachtflug“. Und aber auch an „Junge Römer“.
Leider haben Herr Börger und Frau Wohlfromm das simple Prinzip Falco gar nicht so genau verstanden. So haben sie ihm mit „Cyberlove“ zum Beispiel ein Lied geschrieben, das sich mit „Liebe per Mausklick“ so auseinandersetzt, wie wir das sonst von Udo Jürgens kennen. Und das ist dann so richtig schschschschschscheiße.
Wer arbeitslos ist, der bleibe ruhig sitzen und höre nach dem letzten Lied noch ein bißchen weiter, denn da kommt dann nach zwei Minuten Totenstille der „ghost-track“! Ein Lied über Frauen und Geld, ziemlich jamgesessioned, mit allerlei Frauenstimmen und einem nach offener Hose (so wie in besten Zeiten also) klingenden Falco. Das letzte Wort auf dieser Platte lautet dann „Geld“. Es kommt aus dem Mund einer Frau. Das kann eigentlich nur Claudia Wohlfromm gewesen sein. Benjamin v. Stuckrad-Barre
Falco: „Out of the dark“ (EMI)
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