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„Hier steht es Spitz auf Knopf“

Altona: Scholz (SPD) tritt gegen Reemtsma-Chef Staby (CDU) an. Rau hilft  ■ Von Silke Mertins

Die Fabrik swingt, und so auch der SPD-Bundestagskandidat Olaf Scholz. Nicht nur wird Nordrhein-Westfalens designierter Ex-Ministerpräsident Johannes Rau am Samstagvormittag in Ottensen jeden Augenblick erwartet – die Wartezeit vertreiben sich die Genossen mit Bierchen und Life-Musik –, sondern seit Schröder wird ja nun endlich alles gut. Und seit Schröder ist ein jeder Sozialdemokrat furchtlos im Angesicht des politischen Feindes. Auch Scholz.

Wieso sollte er denn wegen seines CDU-Konkurrenten um den Wahlkreis Hamburg-Altona, den Chef des Reemtsma-Konzerns, Ludger Staby, zittrige Knie bekommen? „Den kennt doch keiner“, winkt Scholz ab. Nein, nein, nein, vor dem Wirtschaftsboss habe er gar keine Angst. Die Sorte „kenne ich aus den Sozialplanverhandlungen“, so Scholz, Fachanwalt für Arbeitsrecht. Staby habe sich bisher „vor allem wegen seiner Arbeitsplatzverlagerungen aus Altona“einen Namen gemacht.

Obwohl: „Mit gewissem Mißvergnügen“habe er schon zur Kenntnis genommen, daß offenbar die gesamte Reemtsma-Presseabteilung, „15 Leute“, Staby zur Seite stehe. Und in Altona kann und wird es auch dieses Mal richtig knapp werden.

In diesem Wahlkreis, der sowohl Nienstedten mit seinem höchsten Pro-Kopf-Einkommen Deutschlands als auch Ottensen und Osdorfer Born mit einem hohen Anteil an Arbeitslosen und Sozialhilfeempfängern umfaßt, prallen Arm und Reich aufeinander wie kaum sonst irgendwo. Im Lokalsender Hamburg 1 rühmte Staby sich bereits, sowohl die Probleme der Einkommensmillionäre mit der Steuerlast als auch die Sorgen der kleinen Leute – „das sind unsere Kunden“– zu kennen.

Die SPD setzt indes auf Parteilichkeit. „Der Arbeitsmarkt muß wieder in Ordnung gebracht werden“, ruft Scholz am Samstag den etwa 150 Menschen zu. „Trotz der Millionäre sinken die Steuereinnahmen in Altona immer mehr.“Schlußendlich gibt er das Wort an Rau, der mit Standing Ovations begrüßt wird. In Altona „steht es immer Spitz auf Knopf“, sagt Rau. „Wir werden am Wahlabend gespannt gucken: Was ist in Altona.“Und deshalb wolle er nun Scholz „ein bißchen Rückenwind“geben, denn „der kann es brauchen“.

Er sei „ein richtiger Oldtimer“, gesteht Rau seinen ZuhörerInnen. Er könne sich noch gut erinnern, wie Oppositionsführer Kohl dem Regierungschef Schmidt vorwarf, er sei der Kanzler der Arbeitslosigkeit. „Seitdem sind jeden Tag 500 Arbeitslose dazugekommen.“16 Jahre lang.

Sicher, seine Anekdoten, persönlichen Anmerkungen und politischen Forderungen hat Rau so oder so ähnlich schon oft kundgetan. Dennoch kamen sie auch dieses Mal wieder so persönlich daher, als seien sie nur für die ZuhörerInnen am Samstag vormittag in Ottensen bestimmt. Das Publikum dankte mit lang anhaltendem Applaus.

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