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Am Gängelband der türkischen Generäle

Noch immer fordert der Nationale Sicherheitsrat der Türkei eine schärfere Bekämpfung der Islamisten  ■ Aus Istanbul Ömer Erzeren

Der Nationale Sicherheitsrat der Türkei, jenes mächtige, von den Militärs dominierte Gremium, will sich auf seiner heutigen Sitzung erneut mit dem Kampf gegen den radikalen Islamismus beschäftigen. Im vergangenen Jahr hatte der Sicherheitsrat den islamistischen Ministerpräsidenten Necmettin Erbakan zum Rücktritt gezwungen und den Weg für die bürgerliche Koalition unter dem jetzigen Ministerpräsidenten Mesut Yilmaz geebnet. Heute wird es darum gehen, den politisch ohnehin schwachen Yilmaz, der mit einer Minderheitenkoalition regiert, auf den „richtigen Kurs“ einzuschwören. Gestern kamen bereits der Generalstabschef Ismail Hakki Karadayi und Ministerpräsident Yilmaz zusammen.

Die Militärs, für die es seit einem Jahr zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, politisch zu intervenieren, sind mit der Regierung Yilmaz, die auch Rücksicht auf eine muslimisch-konservative Wählerschaft nehmen muß, unzufrieden. Immer wieder kritisierten sie die Ineffizienz der Regierung im Kampf gegen den politischen Islam. Zu einer Machtprobe war es vergangene Woche gekommen, als der Ministerpräsident auf einer Fraktionssitzung erklärte, daß die Bekämpfung des extremen Islamismus Aufgabe der Regierung und nicht Sache des Militärs sei. Die Armeespitze reagierte mit einem Memorandum, das – ohne ihn namentlich zu erwähnen – klar gegen Yilmaz gerichtet war. In Windeseile lenkte die Regierung ein.

Unmittelbares Ergebnis ist eine Gesetzesvorlage der Regierung gegen die islamistische Bewegung gerichtet. Um den Staatsapparat von mutmaßlichen Anhängern des politischen Islam zu „säubern“, wird das Beamtenrecht geändert. Zuvor waren Berichte der von den Militärs ins Leben gerufenen „Arbeitsgruppe West“, einer nachrichtendienstlich arbeitenden Einheit zur Bekämpfung der Islamisten, an die Öffentlichkeit lanciert worden. Spitzenbeamte wie Gouverneure wurden der Zugehörigkeit zu Sekten bezichtigt. Noch vor der Änderung des Beamtenrechtes leitete das Innenministerium Ermittlungen ein, solchermaßen beschuldigte Gouverneure und Landräte vom Dienst zu suspendieren.

Die Gesetzesinitiative beschränkt sich allerdings nicht nur auf die Beamten. Durch Änderung des Demonstrationsrechts sollen Kundgebungen in der Umgebung von Moscheen verhindert werden. Auch der Bau von Moscheen soll strikteren Auflagen unterliegen. Islamische Stiftungen, Schüler- und Studentenwohnheime werden rigiden staatlichen Kontrollen unterworfen.

Die Regierung will außerdem den Paragraphen 163 des türkischen Stafrechts, der Propaganda für die Errichtung eines religiösen Staats unter Strafe stellte und vor sieben Jahren abgeschafft wurde, in veränderter Form wieder ins Strafgesetzbuch einführen. Auch Personen, die einen theokratischen Staat fordern, könnte dann lebenslängliche Haft drohen.

Nachdem die Intervention der Armee in die Politik festgeschrieben ist – der Generalstab will Gouverneure zur „Bekämpfung der islamischen Reaktion“ berufen – drängen die Militärs auf die „Säuberung des Staatsapparats“, auf die Anwendung des Repressionsinstrumentariums gegen Islamisten und auf Strukturreformen, die präventiv den islamistischen Einfluß zurückdrängen sollen.

Zeitgleich reichte die Regierung einen Gesetzentwurf zur Änderung des Kommunalwahlrechtes ein. Erhält ein Kandidat für das Bürgermeisteramt im ersten Wahlgang nicht die absolute Mehrheit, sollen im zweiten Wahlgang die Kandidaten, die die meisten Stimmen erhielten, gegeneinander antreten. Die islamistischen Bürgermeister, die bei den Wahlen nur ein Viertel oder ein Fünftel der Stimmen erhielten, sollen so aus ihren Ämtern gedrängt werden.

In der Machtprobe zwischen Zivilisten und Militärs hat Ministerpräsident Yilmaz nachgegeben. Die vom Parlament gewählte Regierung ist bis zu den nächsten Wahlen auf die Rolle eines Technokratenkabinetts reduziert. Ihr fällt die Rolle zu, die Entscheidungen des Nationalen Sicherheitsrates zu vollziehen.

Allein vorgezogene Neuwahlen könnten die Kräfteverhältnisse verändern. Wie es darum bestellt ist, symbolisiert eine Reiberei zwischen zwei staatlichen Institutionen in dieser Woche. Der Generalstab forderte von der Polizei die Rückgabe schwerer Waffen, die bei der „Terrorismusbekämpfung“ in den kurdischen Regionen eingesetzt werden. Zuerst weigerte sich der Polizeipräsident. Dann gab er klein bei.

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