: Von Edelfalten und kleinen Lügen
Die Werbung umgarnt die kaufkräftige Frau ab 35. Das Abrücken vom Schönheitsideal „jung und schlank“ funktioniert bei der Präsentation von Kosmetika, jedoch nicht beim Verkauf von Mode ■ Von Barbara Dribbusch
Die britische Kosmetikfirma Body Shop setzt bei ihren Werbekampagnen seit je auf innere Werte. Das spart Geld für teure Anzeigen. Bislang war es vor allem Umweltbewußtsein, was mit Shampoos und Cremes verkauft wurde. Nun ist es ein neues Körperbewußtsein für die Frau: In den 72 deutschen Filialen werben lebensgroße Puppen mit Fettpölsterchen an Bauch und Hüften für ein neues Selbstbewußtsein der vielen Nichtmodels dieser Welt. Aus den dazugehörenden Faltblättern lächeln nicht nur Dicke, sondern auch eine ältere Frau – einmal ohne, dann mit Falten. „Es gibt acht Supermodels auf der Welt. Und drei Milliarden Frauen, die nicht so aussehen“, heißt es dazu im Werbetext. Und: „Älterwerden gehört zum Leben dazu, und das sollten wir zu genießen lernen.“
„Wir haben mittlerweile gelernt, Wölbungen, Schwangerschaftsstreifen und Falten zu verabscheuen“, rügt Firmengründerin Anita Roddick, „der von Männern dominierten Schönheitsindustrie ist es leider sehr gut gelungen, Frauen von ihrem eigenen Körper zu entfremden.“ Mit der Frage, ob sich mit ein bißchen weniger „Entfremdung“ Cremes, Lidschatten, aber auch Hosenanzüge und BHs besser verkaufen lassen, muß sich die Werbebranche zunehmend beschäftigen. Der Grund: In den nächsten Jahren wird die Zielgruppe der 40- und 50jährigen weiter wachsen. Diese Frauen haben Geld – aber auch Falten und Fettpölsterchen.
„Das Schöne an der Werbung ist, daß sie lügen darf“, sagt Hans Poetzsch, Pressesprecher der Hamburger Werbeagentur DMB & B, und beeilt sich hinzuzufügen: „Werbung wird in Zukunft weniger lügen müssen.“ Beim Jonglieren mit Sein, Schein und Design hält sich die Werbebranche immer noch an die alte Erkenntnis: „In der Regel fühlen sich die Menschen heute zehn, fünfzehn Jahre jünger, als sie sind.“
Dies liegt nach Ansicht der Saarbrückener Unternehmensberaterin Hanne Meyer-Hentschel daran, daß wir alle aus unserer Jugend bestimmte Bilder von 40- bis 50jährigen verinnerlicht haben, die heute jedoch auf noch Ältere zutreffen. Ein bißchen Alter darf also sein. Aber nicht zuviel. Und nicht bei jedem Produkt. „Wenn Sie ein Model haben, das 57 Jahre alt ist, aber aussieht wie Ende 40, dann bleibt der Werbeapproach für ein beauty fluid erhalten“, sagt Christel Karesch, Sprecherin beim Waschmittel- und Kosmetikfabrikanten Procter & Gamble in Deutschland. Der Konzern produziert Oil of Olaz, Pro Vital – die Version für die ältere Frau. Beworben wird das Produkt mit dem britischen Model Diana Moran. Die ist 57 und hat schon mit 30 für Oil of Olaz geworben – damals noch für die Normalserie. Zuvor war schon Beiersdorf mit Nivea Vital und dem 53jährigen Topmodel Susanne Schöneborn auf den Markt gegangen. Beiersdorf-Sprecher Klaus Peter Nebel: „Die Frage, ob man auch mit älteren Models werben kann, haben wir eindeutig positiv entschieden.“
Das stimmt nicht ganz. In der Kosmetikwerbung mit älteren Frauen ist das sichtbare Alter immer auch das Thema, das zum Produkt und damit zur Werbung dazugehört. Wenn schon ältere, dann werden schöne und prominente Frauen abgelichtet. Deren bekanntes Alter unterstreicht den Produkterfolg besonders: Wenn die 54jährige Schauspielerin Hannelore Elsner für Marbert-Kosmetik wirbt („Warum soll meine Haut älter aussehen, als ich mich fühle?“), dann macht gerade ihr Alter in Kombination mit ihrer Schönheit und erotischen Ausstrahlung den Werbeerfolg aus. Doch selbst diese Werbung ist mehr Design als Sein. Denn die Fotos präsentieren ein „stilisiertes Alter“, ein verjüngtes also.
Soll jedoch Mode ins rechte Licht gerückt werden, haben ältere Frauen bislang kaum eine Chance – von einigen wenigen prominenten Beispielen wie dem früheren Supermodel Lauren Hutton einmal abgesehen. „In der Werbebranche heißt es immer, die Kleidung wirkt besser, wenn dazu ein junges, leeres Gesicht erscheint“, ärgert sich Christa Höhs. Die 56jährige betreibt in München eine Agentur für „senior models“ – in ihrer Kartei führt sie weibliche Fotomodelle ab 35 Jahre aufwärts. Die Models der Münchnerin werben für den „Zipperlein-Markt“, also Rheumapflaster, Beinkompressen und Magenbitter. Neuerdings kämen immer mehr Banken, Versicherungen, Haushaltsgeräte und Schuhwerbung hinzu, sagt Höhs. Auch die Kosmetikwerbung laufe gut. Nur Mode nicht.
Ganze drei Anfragen für Modeaufnahmen erhielt Höhs im Laufe von drei Jahren – ein Auftrag kam nie zustande. Die Werbeagenturen verpflichten lieber Models im Abiturientinnenalter, „die werden dann auf alt geschminkt“, empört sich die Agentin. Die Unternehmensberaterin Hanne Meyer-Hentschel sieht das anders: „Mode soll Spaß, Innovation signalisieren. Dazu paßt die Jugend besser. Mit jungen Models erfaßt man auch ältere Zielgruppen, aber nicht umgekehrt.“
Jil Sander hat für ihre neue Kampagne ein Model mit Schülerinnengesicht ausgewählt – leisten können sich die beworbene Markenmode nur Kundinnen ab Mitte dreißig. Wäre Jil Sander konsequent gewesen, hätte sie auch die neue Kampagne – wie die erste – mit ihrem eigenen, inzwischen gealterten Gesicht auflegen müssen, meint Poetzsch von DMB & B, „aber vielleicht ist sie zu eitel dazu“.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen