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His Way: Clown sein

■ Schweigende Telefone, keine Burg, Versace und Albers: Harald Juhnke stellte seine fremdverfaßte Autobiographie „Meine sieben Leben“vor

Nachdem Rausch, „Wetten, daß ...?“und Zeitumstellung überstanden waren, schleppten wir uns zum Thalia-Theater, wo ein ganz Großer seines Faches, ja, „einer der besten Schauspieler Deutschlands“, wie Hausherr Jürgen Flimm gleich laudatieren sollte, zur ersten Vorstellung seiner fremdverfaßten Autobiographie geladen hatte. Meine sieben Leben (Rowohlt) heißt der Schinken prahlerisch, gerade auf den Markt gekommen. Gekommen ist auch der gute Geist und eigentliche Autor der Autobiographie, Herr Harald Wieser, ehemals Star-Enthüller bei Spiegel und Stern, sodann Sargnagel von Hanns-Joachim Friedrichs, der ebenfalls nicht so gut selbst schreiben konnte.

Und dann kam Jürgen Flimm und forderte die Versammelten auf, gegen „Sparmaßnahmen“an den Bürgermeister zu schreiben oder wenigstens an Frau Weiss, und nun zu dem Berliner Mimen, mit dem er eben schon ein bißchen „gequackelt“habe, ob er nach 25 Jahren nicht mal wieder im hohen Haus auftreten könnte. Aber klar doch! Auftritt Harald Juhnke. Auf dem rustikalen Tisch steht eine Karaffe mit Wasser, doch Juhnke wird keinen Tropfen anrühren. „Etwas länger als eine Stunde“werde der Autobiograph womöglich lesen, hatte Flimm gedroht – am Ende werden es 45 Minuten samt Döntjes.

Leider zeigt sich, daß der herzlich Begrüßte kein begabter Vorleser ist. Wiesers liebevolles Büchlein scheint er überhaupt zum ersten Mal zur Hand zu nehmen; Harry stolpert durch die gedrechselten Kaskaden und betont immerzu Worte falsch – „Thalia“ebenso wie „Domina“, und auch Gene Kellys „Soft Show Step“, den er ausdrücklich nicht bevorzugt, wenn er mal daheim im Bademantel steppt, geht ihm nicht leicht von der Zunge. Wieser hat natürlich ganze Arbeit geleistet und Juhnkes eher dröges Leben zwischen Schmierenkomödie und Trivialtragödie nicht nur illuminiert, sondern gleich erfunden. Der Alkohol ist freilich der „Dämon“, die Existenz des Schauspielers selbstredend ein „Gefängnis“, wo nicht ein Kerker; und nur auf der Bühne erblüht das Genie. Leider ständig Theaterferien! Und da passiert's dann eben.

Der Arme wartet Tage darauf, daß endlich der Peymann vom Wiener Burgtheater anruft, um ihm die „von mir gewünschte Rolle“des Richard III. anzutragen – oder immerhin, wie Juhnke improvisiert, der Flimm vom Thalia den Puntila. Allein, das Telefon schweigt. Wien ruft nicht. Weil das Lesen so mühlselig ist, gibt Juhnke nun stehend eine seiner liebsten Nummern: wie der alte Albers einmal ein junges Ding an ihm vorbeischleuste, um zu renommieren. Auch mit Liza Minnelli und Gianni Versace, Gott hab' ihn selig, saß Harry mal zu Tisch. Versace lobte seinen Hut, der übrigens auch dämonisch auf dem Buch-Umschlag prangt. Nebenbei macht Harry auch noch den Minetti, ha! Das kann er auch, der Teufelskerl. Schade, daß Thomas Bernhard nicht mehr da ist. Der hätte ihn an die Burg geholt und ihm ein Stück geschrieben, etwa Der Aufschneider.

Doch Richard III. Juhnke muß sich einstweilen bescheiden. Abrupt greift er das Mikrophon und playbackt „vielleicht das schönste Lied, das ich je auf einer Bühne gesungen habe“– nicht „My Way“, sondern das tiefgründelnde Chansönchen „Clown sein“. Aus dem Off sülzt das Klavier, König Schlackerknie bewegt die Lippen, die die Welt bedeuten, und geht im Scheinwerferkegel ab. Mehrere Vorhänge! Harald Wieser erhebt sich mit Kind und Kegel für Standing ovations.

Harald Willander

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