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Maritimes Futter für Wissensfetischisten

■ „Mit Koggen zum Marktplatz“: Ulrich Weidinger beschreibt mit Fleiß 1.000 Jahre Bremer Hafengeschichte

ieses Buch ist pure Fleißarbeit. „Mit Koggen zum Marktplatz“besticht durch die Sorgfalt, mit der hier die Geschichte des Bremer Hafens vom Mittelalter bis zur beginnenden Industrialisierung untersucht wird. Ulrich Weidinger stützt sich dabei auf das Wissen, das man aus archäologischen Funden und Schriftstücken zusammengetragen hat. Er stellt es in Frage, überprüft es auf seine Richtigkeit und kommt so zu neuen Thesen. Wo die Bremer Materialien nicht ausreichen, greift er auf Forschungsergebnisse zurück, die über andere Hafenstädte wie Lübeck und Hamburg vorliegen. Jedes Detail verwendet Weidinger als Baustein; wie ein Mosaik setzt er die einzelnen Wissensfragmente zusammen, bis am Ende ein vollständiges Bild des Bremer Hafens durch die Jahrhunderte hindurch entsteht. Diese Genauigkeit verlangt viel Platz. Das Buch erschreckt den Leser zunächst durch seine 600 Seiten. Aber hinterher kann er durch seine Stadt laufen und sich dabei an jeder Ecke vorstellen, wie es früher einmal ausgesehen haben mag.

Weidinger beginnt mit dem frühen Mittelalter. Damals besaß die Weser noch kein eindeutig festgelegtes Flußbett. Ständig veränderte sie ihre Richtung auf dem Weg zur Nordsee.

Überschwemmungen machten es seinerzeit schwer, einen trockenen Ort für eine Ansiedlung zu finden. Da bot sich der heutige Bremer Marktplatz an, denn er befindet sich auf einem Dünenrücken. Daran vorbei schlängelte sich ein Seitenarm der Weser, von dem heute nichts mehr zu sehen ist: die Balge. Sie bot sich als geeigneter Hafen an. Die Balge verließ die Weser in Höhe der Holzpforte, bahnte sich ihren Weg am südlichen Marktplatz vorbei und mündete unterhalb der Schlachtpforte wieder in die Weser ein.

Bis zum 12./13. Jahrhundert besaßen die Koggen keinen Kiel und eigneten sich deshalb für die Wattgebiete. Mit wachsendem Handel jedoch, der die Händler über die Meere führte, wurden auch die Schiffe tiefer und die Balge zu flach. Deswegen wurde die Schlachte am Weserufer zum neuen Hafen umgebaut. Die Balge dagegen verlor an Bedeutung: Im Laufe der Jahrhunderte verringerte sich durch zunehmende Bebauung des Ufers ihre Breite und durch Einführung von Schmutz und Abfällen ihre Tiefe. 1602 wurde sie für den Schiffahrtsverkehr gesperrt, 1873 wurde sie ganz zugeschüttet.

Weidinger kommt hinsichtlich der Hafenanlagen zu neuen Ergebnissen. Er vertritt – entgegen der herrschenden Meinung – die These, daß die Schlachte schon im 13. Jahrhundert und nicht erst im 16. Jahrhundert in Betrieb genommen wurde. Er begründete seine Ansicht unter anderem mit dem Fund eines Schiffswracks an der Schlachte, das 14 Meter unter der Erdoberfläche gefunden und auf das Jahr 1220 zurückdatiert wurde; ebenso deutet er die Ansiedlung von politisch einflußreichen Bürgern in der Nähe der Schlachte – und damit außerhalb der schützenden Stadtmauern – als Hinweis auf wirtschaftliche Interessen: Denn Wirtschaft war in Bremen immer eng mit dem Hafen verknüpft.

„Mit Koggen zum Marktplatz“ist für den historisch Interessierten geschrieben, egal ob ProfessorIn oder LaiIn. Weidinger gelingt es, das alte Bremen lebendig zu machen. Die Mosaiksteinchen fügen sich zu einem farbigen Bild.

Bettina Fischer

Ulrich Weidinger, „Mit Koggen zum Marktplatz“, Hauschild Verlag, Bremen, der Preis für die Fleißarbeit: 98 Mark

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