: Der Chef läßt die „coolen Jungs“ im Einzel ran
■ Nur im Doppel mit David Prinosil beteiligt sich Boris Becker beim Bremer Davis Cup-Match gegen Südafrika aktiv an der Begründung eines „neuen Zeitalters“ im deutschen Tennis
Bremen (taz) – Vergangenen Dienstag, Trainingsalltag in der Bremer Stadthalle: David Prinosil im Doppel mit Boris Becker. Die Gegner sind Tommy Haas und Nicolas Kiefer. Letzte Vorbereitungen zum heutigen deutschen Davis Cup-Start. Becker am Netz blinzelt rüber zu Kiefer, dem Youngster: Schau mir in die Augen, Kleiner. Doch die Zeiten sind vorbei, daß der zurückguckt. Ein paar Wochen standen sie gemeinsam im Training. Hier Kiefer und Haas, die beiden 20jährigen Neulinge im Davis Cup. Dort Becker (30), auf der Suche nach seiner neuen Identität als Teamchef.
Gegen Südafrika, an diesem Wochenende in der Bremer Stadthalle, sind sie „das jüngste Team in der world group“. So sagt das Becker, Spielertrainer und Altstar der Tennis-Weltelite. Und wie in allen seinen inzwischen so gefeilten Gemeinplätzen stecken hinter dem Understatement – „Südafrika ist der Favorit“ – höchste Ansprüche. Denn mit dem „jüngsten Team“ soll nun ein neues Zeitalter des deutschen Tennis anbrechen.
Als abgebrühter deutscher Clan-Chef will Becker seine Nachfolgegeneration in den Wettkampf der Nationen führen. Vorsichtig inszeniert Becker diesen Wechsel. Schon seit einem Jahr liebäugelt er mit dem Chefsessel an der Seitenlinie. Erst als Trainer des Mercedes- Junior-Teams. Da wollte er sich mit seinem Zögling Nicolas Kiefer das Überleben in der Nachwelt sichern. Doch der selbstbewußte Juniorenmeister aus Holzminden zog seine Wege, holte sich in Toulouse den ersten Turniersieg und jetzt auch Boris' einstigen Trainer Bob Brett.
In Bremen aber ist Boris wieder der Chef. Doch dessen Vorsicht gegenüber den „coolen Jungs“ hat zugenommen; er weiß inzwischen, daß Vatermord zum Tennisgeschäft gehört. Wenn der Kiefer sich im öden Bremer Trainingsalltag auf dem Spielfeld seinen Blicken nicht mehr stellt, grinst er klitzeklein aus dem Mundwinkel. Und zeigt seine Spiellust. Den Vortritt für die Einzel überläßt er den Jungen. Weil sie die deutschen Nummern eins und zwei auf der Weltrangliste sind. Und einfach weil er der Chef ist.
Kiefer muß heute (13 Uhr) als erster gegen Grant Stafford ran, gefolgt von Haas und Wayne Ferreira. Im Doppel mit Prinosil kann Becker gegen das starke südafrikanische Paar David Adams/Ellis Ferreira am Samstag (14 Uhr) dann sogar verlieren. Seiner neuen Krone als Teamchef würde das keinen Zacken ausbrechen. Diese nämlich setzt ihm Premiere auf. Der Fernsehsender hat sich die Rechte für mindestens zwei Jahre gekauft. Mit seinen 27 Kameras hilft das Pay-TV Becker bei seiner Inszenierung des Generationenwechsels. Tommy Haas setzten sie in einen amerikanischen Starfighter auf den Sozius. Und kreierten damit eine ironische Reminiszenz an die Mercedes-Kampagne: Becker im Formel-1-Geschoß – und natürlich am Steuer.
Becker dankt artig: „Premiere bringt frischen Wind in die Berichterstattung.“ Außerdem bringt Premiere neue Kameras. Die sind auf den Spielertrainer zugeschnitten. Die Go-Cam, eine „Weltneuheit beim Tennis“, soll dem Altstar beim Doppel an der Seitenlinie mit bis zu vierzig Stundenkilometern hinterherrasen. Natürlich werde Becker bei Premiere „eine Rolle spielen“, heißt es beim Sender denn auch zweideutig. Die Starrolle. Den Blickwechsel mit Kiefer braucht er nicht mehr. Dem Chef reicht der Kamerablick. Und ein paar nette Gemeinplätze. Denn wenn der „Baron“ seine Erben bei ihren Einzeln vom Spielfeldrand aus verfolgt, wird er wahrscheinlich ein Premiere-Headphone tragen, mit dem er seine Kommentare live ins Volk trägt. Ins decodierte Volk natürlich. Fritz von Klinggräf
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen